Siemens: Grüne Gewinne, Rotstiftaktion

Siemens bekommt die Krise zu spüren, verdiente 2008/09 aber immer noch 2,5 Milliarden Euro. Das Ökogeschäft soll ausgebaut werden – die 35000 SIS-Beschäftigten werden derweil entsorgt
MÜNCHEN Weihnachtliche Geigenklänge, trautes Funkeln in der Dämmerung: Auf nichts ist Siemens-Chef Peter Löscher zurzeit stolzer als auf den „Stern des Südens“. Ein Siemens-Werbevideo präsentiert die LED-Installation des Konzerns am Fröttmaninger Windrad, die Botschaft ist klar: Auch in widrigen Zeiten schultert Siemens Verantwortung. Der Stern, schwärmt Löscher, sei ein „Symbol für eine grüne Zukunft“.
Krise? Umsatzeinbrüche? Mit seiner Strategie, nur noch auf die profitabelsten Geschäftsfelder wie Energie und Gesundheitstechnik zu setzen, ist Siemens bisher weitgehend unbeschadet über den Einbruch der Konjunktur gekommen. Der Gewinn nach Steuern betrug im abgelaufenen Geschäftsjahr, das zum 30. September endete, knapp 2,5 Milliarden Euro. Im vierten Quartal rutschte Siemens allerdings in die roten Zahlen. Schuld daran war unter anderem eine Abschreibung in Höhe von 1,6 Milliarden Euro auf das darbende Telekom-Gemeinschaftsunternehmen Nokia Siemens Networks (NSN). Weil seine Boni geringer ausfielen, bekam Vorstandschef Peter Löscher nur noch 7,1 Millionen Euro, nach 9,8 Millionen Euro im Vorjahr.
Mit eisernem Besen wird bei Siemens ausgekehrt
Insgesamt gingen die neuen Aufträge um 14 Prozent zurück – das wird der Konzern 2010 zu spüren bekommen. Die Umsätze werden „im mittleren einstelligen Prozentbereich“ sinken, glaubt Löscher. Trotzdem soll Siemens im laufenden Geschäftsjahr rund 2,75 Milliarden Euro verdienen. Mit neuen Investitionen will sich der Konzern ein dickes Stück vom wachsenden Öko-Kuchen abschneiden – unter anderem in der Sonnenenergie und bei intelligenten Stromnetzen für Energieversorgungsunternehmen. Voll des Lobes ist Löscher für das Vorhaben Münchens, bis 2015 alle Privathaushalte mit Ökostrom zu erzeugen. „Ein fantastisches Leuchtturmprojekt, eine Visitenkarte für Bayern und Deutschland“, jubelt er.
Mit eisernem Besen hat Siemens im abgelaufenen Geschäftsjahr im eigenen Haus ausgekehrt. Ein Jahr früher als geplant hat es damit die Vertriebs- und Verwaltungskosten um zwei Milliarden Euro gekappt. Auch beim Einkauf wird geknapst: Arbeiteten früher 113000 Lieferanten für Siemens, sind es jetzt nur noch 97000 – und die müssen sich auf harte Verhandlungen einstellen. Vorstandsfrau Barbara Kux will keine Prozentzahl nennen – „das würde ja in die Verhandlungen eingepreist“ – doch klar ist, dass Siemens künftig noch günstiger einkaufen will.
Was nicht genügend Geld bringt, fliegt raus: Diese Erfahrung werden nach den Beschäftigten von NSN und der Kommunikationssparte zum 1. Juli 2010 wohl auch die 35000 Beschäftigten (davon 9000 in Deutschland, 3500 im Raum München) des IT-Dienstleisters SIS machen. Siemens will den Bereich in die Selbständigkeit entlassen. Der Anfang vom Ende für SIS? Finanzvorstand Joe Kaeser spricht von „enormen Wachstumspotenzialen“ und schließt einen Börsengang von SIS nicht aus. Die IG Metall ist freilich anderer Meinung. Für sie ist die geplante Ausgliederung eine Armutserklärung des Konzerns (siehe Interview).
Weltweit hat Siemens im abgelaufenen Geschäftsjahr 23000 Arbeitsplätze abgebaut. Vehement widersprach Vorstandschef Peter Löscher allerdings Spekulationen, wegen der kippligen Konjunktur würden bis zu 10000 weitere Jobs wackeln. Zwar arbeiteten zurzeit 11000 Siemensianer kurz, doch „es ist mir und keinem bei Siemens ein Programm bekannt, das zu einer solchen Zahl führen würde. Diese 10000 gibt es nicht.“