Siemens-Beschäftigte: Der Frust wächst
„Margenwahn“ und Managementfehler: Im Streit über die neuen Jobkürzungen wird der Tonfall der Mitarbeiter rauer. Konzernchef Kaeser kann die Unruhe gar nicht gebrauchen.
München - Eigentlich hat Siemens-Chef Joe Kaeser schon genug zu tun: Ein radikaler Konzernumbau, unrentable Sparten, Probleme im wichtigen Energiegeschäft und eine umstrittene Milliarden-Übernahme in den USA – Baustellen gibt es reichlich bei dem Elektrogiganten.
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Jetzt wird auch noch das Verhältnis zu den Arbeitnehmervertretern frostiger, die seit dem Amtsantritt Kaesers vor knapp zwei Jahren vergeblich auf die versprochene Ruhe im Konzern warten. Bei einem bundesweiten Aktionstag der IG Metall zeigte sich gestern, dass der Frust bei den Beschäftigten wächst.
„Die Stimmung ist am Boden, und Kaeser muss aufpassen, dass er die Vorschusslorbeeren, die er auch aus der Belegschaft bekommen hat, nicht verspielt“, sagt Bayerns IG-Metall-Bezirksleiter Jürgen Wechsler, selbst langjähriger Siemensianer, bei einer Kundgebung in Nürnberg.
Mehr als 6000 aktive Teilnehmer zählte die Gewerkschaft bei den Aktionen alleine an den Standorten Duisburg, Berlin und Nürnberg.
Joe Kaeser reagiert zunehmend gereizt
Für Frust sorgt vor allem Kaesers neuer Griff zum Rotstift: Weil die Nachfrage nach großen Gasturbinen in Europa am Boden liegt und kleine Geschäftseinheiten wieder auf Vordermann gebracht werden müssen, stehen noch einmal 4500 Jobs auf der Kippe, davon 2200 in Deutschland – macht mit den Auswirkungen des Konzernumbaus und weiteren Einsparungen gut 13.000 Arbeitsplätze.
Und das könnte es noch immer nicht gewesen sein, befürchtet die IG Metall – und spricht von „Margenwahn“ und Managementfehlern. Der Konzernlenker reagiert zunehmend gereizt auf solche Vorwürfe.
In der Mitarbeiter-Zeitung „Siemens-Welt“ konterte er kürzlich ungewöhnlich direkt die Kritik eines Gewerkschafters aus Nordrhein-Westfalen.
Fest steht: Der niederbayerische Siemens-Chef bekommt Druck von allen Seiten. Er muss den Konzern wieder fit für den Wettbewerb mit Konkurrenten machen, was den Siemens-Aktionären ohnehin schon nicht schnell genug geht.
Doch die Einschnitte in der Stromerzeugungssparte stehen auf einem anderen Blatt. Hier kann sich Kaeser sogar über einen Rekordauftrag aus Ägypten freuen. Siemens baut dort neue Gas- und Windkraftwerke im Wert von rund acht Milliarden Euro, wie vor wenigen Tagen bekannt gegeben wurde (AZ berichtete).
Die Arbeitnehmervertreter sehen sich deshalb in ihrem Widerstand gegen die Pläne bestätigt. „Das ist doch gewonnene Zeit“, sagt Olaf Bolduan, ein Siemens-Betriebsrat. Doch Sparten-Chef Willi Meixner macht klar: „Es bleibt dabei, dass wir die Kosten herunterfahren müssen.“
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