Schlechter Rat ist teuer

Bausparverträge sind eigentlich nicht sonderlich kompliziert. Eigentlich. Neuerdings drängen Institute Kunden mit günstigen Alt-Verträgen in schlechtere Konditionen. Ein Erfahrungsbericht.
von  Abendzeitung
Der Traum vom eigenen Heim: Wer ihn in die Realität umsetzen will, muss hellwach sein, wenn es um die Wahl der Finanzierung geht. Noch immer zählt dabei der Bausparvertrag zu den klassischen Instrumenten.
Der Traum vom eigenen Heim: Wer ihn in die Realität umsetzen will, muss hellwach sein, wenn es um die Wahl der Finanzierung geht. Noch immer zählt dabei der Bausparvertrag zu den klassischen Instrumenten. © VOX

Bausparverträge sind eigentlich nicht sonderlich kompliziert. Eigentlich. Neuerdings drängen Institute Kunden mit günstigen Alt-Verträgen in schlechtere Konditionen. Ein Erfahrungsbericht.

MÜNCHEN Endlich mal ein Brief, der Freude macht: „Herzlichen Glückwunsch!“ heißt es in dem Schreiben, „Sie haben ein wichtiges Ziel erreicht.“ Aha. Endlich mal ein Ziel, das ich erreicht habe, ohne davon geahnt zu haben. „Ihr Bausparvertrag wird am 01.04. 2008 zugeteilt.“ Mit steht jetzt eine stattliche Bausparsumme bei der BHW zur Verfügung. Nicht schlecht!

Doch das schöne Schreiben hat noch einen verwirrenden Anhang mit dem Titel „Erklärung zur Zuteilung“. Darauf ist schon mal angekreuzt: Ja, ich nehme die Zuteilung an. Das bedeutet: Obwohl ich noch nicht die ganze Bausparsumme angespart habe, kann ich ab jetzt die gesamte Summe als Darlehen für eine Wohnung oder ein Haus bekommen. Die BHW will wissen, wann ich die Zuteilung will und wofür. Irgendwie bin ich ratlos: Was soll ich tun? Ein Haus will ich nicht bauen, auch keine Wohnung kaufen.

Doch da bekomme ich schon einen weiteren Brief: Eine Frau Müller (Name geändert) von der BHW bittet dringend um Rückruf. Die Sache hat mit meinem Bausparvertrag zu tun. Ich rufe zurück. Frau Müller bestürmt mich: Ich solle dringend zu ihr kommen. Ich muss mir meinen Bausparvertrag ausbezahlen lassen und das Geld dann in einen Vertrag einzahlen, der eine viel höhere Bausparsumme hat. „Ihr jetziger Bausparvertrag ist viel zu niedrig. Außerdem haben Sie jetzt einen Darlehenszins von fünf Prozent, mit einem neuen Vertrag zahlen Sie höchstens 3,75 Prozent.“ Ich würde quasi Geld verschenken, wenn ich mir die Sache entgehen ließe. Frau Müller meldet sich in den kommenden Tagen mehrmals: Sie dringt auf eine Entscheidung, Zeit ist Geld. „Es macht keinen Sinn mehr, weiter Geld in Ihren Bausparvertrag einzuzahlen“, sagt Müller. Ich soll am besten noch vor Monatsende kommen, damit die nächste Zahlung gleich in den neuen Vertrag geht.

Irgendwann hat sie mich fast überzeugt. Wir verabreden einen Termin, bei dem ich alle Formalitäten für einen neuen Bausparvertrag unterschreiben soll. Doch weil mir die Sache nicht geheuer ist, rufe ich Jörg Sahr an. Er ist der Baufinanzierungsexperte von „Finanztest“.

Sahr wird gleich hellhörig: „Wann haben Sie Ihren Vertrag denn abgeschlossen?“, will er wissen. 1997. „Dann ist alles klar“, sagt Sahr. „Die BHW will Sie loswerden.“ Grund: In den 90er Jahren hatten sich die Anbieter von Bausparverträgen verzockt und darauf gesetzt, dass die Zinsen steigen. Deshalb boten sie Topzinsen von bis zu fünf Prozent an. Mein Bausparer hat einen Zinssatz von 3,0 Prozent. Doch die Zinsen stiegen nicht. Die Folge: Für die Bausparkassen wurden Verträge wie meiner zum Draufzahlgeschäft. Heute werden viel niedrigere Sätze angeboten. Zum Vergleich: Der „Dispo maXX“, den Frau Müller mir andrehen will, hat heute einen Basiszinssatz von 1,0 Prozent. „Manche Bausparkassen bieten ihren Vermittlern sogar Prämien, wenn sie Kunden mit guten Zinssätzen loswerden“, sagt Sahr. Sein Tipp: „Wenn Sie nicht jetzt eine Wohnung kaufen wollen, sparen Sie lieber weiter. Sie bekommen weiterhin Ihre Zinsen und vom Staat die Wohnungsbauprämie.“

Dass ich überhaupt weitersparen kann, das steht weder in den Schreiben der BHW, noch erwähnt dies meine Beraterin Frau Müller. Zeit für einen Besuch in ihrem Münchner Büro. Freundlich bittet sie mich in ein verglastes Büro. Ich will wissen, ob ich weitersparen kann. Ja, sagt sie und wird einsilbig. „Es ist nicht angeraten, weiter zu sparen.“ Warum nicht? „Das ist nicht zu empfehlen, weil der Vertrag zugeteilt ist. Mehr kann man nicht bekommen.“

Immerhin: Frau Müller lügt mich nicht an – sie hat mir wichtige Dinge nur verschwiegen. Zum Beispiel auch das, was versteckt unter Paragraf 6 (5) meines Bausparers steht: Ich kann jetzt ohne Probleme einen höheren Zinssatz für meinen Bausparer beantragen. Wenn Herr Sahr mich nicht darauf hingewiesen hätte, wäre mir gutes Geld durch die Lappen gegangen. Auch, dass ich weiterhin die Wohnungsbauprämie bekommen, wenn ich weiterspare, teilt mir Frau Müller nur auf Nachfrage mit.

Frau Müller und die BHW haben verloren – ich werde weitersparen. Schriftlich erkläre ich, dass ich die Zuteilung nicht annehmen werde. Auch konfrontiere ich die BHW mit dem Vorgehen. „Wir wollen grundsätzlich keinen Kunden verlieren“, schreibt der Pressesprecher zu der Frage, ob die BHW Kunden mit Bausparer aus den 90er Jahren loswerden will. Dann verteidigt er Müllers Vorgehen: „Eine weitere Besparung ist zwar möglich, aber nicht unbedingt sinnvoll.“ Vermittler wie Frau Müller bekommen eine Prämie für jeden Neu-Vertrag, aber keine Extraprämie pro gekündigtem Alt-Vertrag. Fazit des Sprechers: „Natürlich ist nicht auszuschließen, dass bei mehreren Millionen von Beratungsgesprächen nicht immer eine optimale Beratungsqualität erreicht wird.“ In einem zweiten Schreiben wird die BHW noch deutlicher. Dort heißt es: „Der weitere Verlauf des Beratungsgespräches scheint auch aus unserer Sicht nicht ganz glücklich.“

Volker ter Haseborg

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