Schlappe Heuschrecken

Finanzspritze dringend erwünscht: Die einst gefürchteten Investoren bangen in der Krise selbst um ihr Geld, weil ihre Quellen längst nicht mehr so lebhaft sprudeln wie früher.
GERMERING Bei Cewe Color in Germering dürfte es zurzeit hektisch zugehen. Das Unternehmen vergrößert unter anderem für die Kunden von Drogeriemärkten deren Fotos, verkauft Alben und Geschenkartikel – in der Weihnachtszeit ein besonders lohnendes Geschäft. Da trifft es sich gut, dass wenigstens ein Aktionär, der früher für einige Unruhe sorgte, zurzeit still hält: Guy Wyser-Pratte, der gefürchtete Manager-Schreck aus den Vereinigten Staaten.
Wyser-Pratte hatte sich im vergangenen Jahr in eine monatelange Schlacht mit Cewe Color verbissen und eine dicke, kreditfinanzierte Dividende gefordert. Mittlerweile dürfte er seine Attacke bereuen. Die Cewe-Aktie und damit der Wert seines Anteils ist von über 40 Euro im Frühjahr 2007, als er einstieg, auf zuletzt rund 16 Euro abgestürzt. Es ist nicht seine einzige Bauchlandung, wird in der Finanzbranche gemunkelt. Sein Fonds Euro Value habe gewaltige Verluste erlitten. Vor kurzem habe er sogar die Rücknahme der Anteile ausgesetzt, berichtete der Branchendienst Finalternatives.
Der Vorgang ist sympomatisch für die Heuschrecken-Branche: Die gefürchteten Investoren leiden mittlerweile selbst unter der Krise. Warfen ihnen die Banken früher das Geld nachgerade hinterher, ist der Finanzspielraum durch die Krise gewaltig geschrumpft. Europaweit ging das Geschäft der Branche in den ersten neun Monaten des Jahres gegenüber dem Vorjahreszeitraum um mehr als die Hälfte zurück.
Vermehrt sind jetzt „Distressed Fonds“, also Geierfonds, unterwegs, die den Investoren Kredite der übernommenen Unternehmen abkaufen. Kommt das übernommene Unternehmen in Schwierigkeiten, übernimmt der Distressed Fonds die Regie und zwingt die beteiligten Kapitalgeber zu schmerzhaften Zugeständnissen. Keine rosigen Aussichten für die Investoren.
Manches Investment entpuppte sich als Heuschrecken-Grab. Zum Beispiel Auto Teile Unger: Die Beteiligungsgesellschaft KKR kaufte 2004 die Autowerkstattkette für 1,45 Milliarden Euro. Weil die Geschäfte nicht so liefen wie geplant, musste KRR zusammen mit der Investmentfirma Doughty Hanson 140 Millionen Euro in das Unternehmen pumpen, damit ATU seine Kredite bedienen konnte.
Auf Mitleid braucht KKR nicht zu hoffen. Der Investor ließ bisher wenig unversucht, um seine Beteiligungen nach allen Regeln der Kunst auszupressen. Zum Beispiel ProsiebenSat1: Zusammen mit der Beteiligungsgesellschaft Permira zwang KKR das Medienunternehmen, den Senderkonzern SBS, den es selbst besaß, für 3,3 Milliarden Euro zu kaufen. Jetzt beträgt der Schuldenstand von ProSiebenSat1 3,7 Milliarden Euro. Zum Vergleich: 2007 betrug der Gewinn keine 90 Millionen Euro. Die Mitarbeiter ächzen unter einem rigiden Sparkus und dürften mit klammheimlicher Freude vernehmen, dass KKR seinen Börsengang verschieben musste und auch Permira – das übrigens auch Hugo Boss geschröpft hat – mangels frischen Kapitals zurzeit abspecken muss.
Augenfällig wird das Dilemma der Branche an der Aktie des Branchenriesen Blackstone (unter anderem beteiligt an Telekom, Gerresheimer Glas, Klöckner Pentaplast, Hilton Hotels) Von zwölf Euro im Juli ist das Papier zuletzt auf gut fünf Euro abgesoffen. sun