Schäuble warnt vor Griechenland-Pleite
Berlin/Brüssel - "Wir stehen vor dem realen Risiko der ersten ungeordneten Staatsinsolvenz innerhalb der Euro-Zone", schrieb er in einem Brief, der unter anderen an EZB-Präsident Jean-Claude Trichet sowie die Finanzminister der Euro-Zone adressiert ist und aus dem die "Welt" (Mittwoch) zitiert.
Vor diesem Hintergrund sehe er den Bedarf eines neuen Hilfsprogramms, erklärte Schäuble. "Eine Rückkehr Griechenlands an den Kapitalmarkt im Jahr 2012, wie im laufenden Programm geplant, scheint mehr als unrealistisch." Das aber bedeute, dass das Volumen des jetzigen Programms nicht ausreiche, Athens finanzielle Bedürfnisse zu decken. Schäuble erwartet daher eine "substanzielle" Ausweitung der Hilfe durch Europa - auch damit der Internationale Währungsfonds (IWF) aus den Hilfsprogrammen nicht aussteigt.
Der deutsche Finanzminister fordert in dem Schreiben eine Umschuldung Griechenlands, an der die privaten Gläubiger beteiligt werden sollen.
Berlin will im Eiltempo bis zum Ende der Woche die Zustimmung für die Griechenland-Hilfen einholen. In Brüssel ist bereits für den kommenden Dienstag ein informelles Treffen der EU-Finanzminister angesetzt worden. Offiziell geht es um die Verschärfung des Stabilitätspaktes für die Euro-Länder, doch Insider vermuten, dass auch über die Lage in Griechenland und ein mögliches neues Milliarden-Hilfspaket gesprochen wird.
In Berlin beginnt ein Sitzungsmarathon nach der Rückkehr von Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aus den USA. Koalition und EU verstärken den Druck auf die Banken, freiwillig bei der Lösung der Schuldenkrise zu helfen.
Am Freitag soll im Bundestag über einen geplanten gemeinsamen Antrag von Union und FDP über die Griechenland-Hilfen und die Euro-Stabilisierung abgestimmt werden. Zuvor wird Schäuble dazu eine Regierungserklärung abgeben. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeld rechnet trotz kritischer Stimmen mit einer breiten Zustimmung zu dem Antrag. Am Mittwoch und Donnerstag wollen Merkel und Schäuble auf Sondersitzungen der Fraktionen die gemeinsame Linie festklopfen.
Mit dem Bundestagsbeschluss sollen Leitplanken - wie Vorgaben an Athen sowie die Beteiligung privater Gläubiger - aufgestellt werden, an die sich Merkel und Schäuble bei den Verhandlungen in Brüssel halten sollen. FDP-Generalsekretär Christian Lindner hält ein Entgegenkommen der privaten Geldgeber im Falle des Euro-Pleitekandidaten für denkbar. "Eine freiwillige Umschuldung ist möglich", sagte er am Dienstag in Berlin. Eine Streckung der Athen-Kredite wäre im Interesse des Finanzmarktes, der Griechen selbst und der deutschen Steuerzahler.
Laut EU-Währungskommissar Olli Rehn wird derzeit an entsprechenden Initiativen gearbeitet. Im Gespräch sind freiwillige Zusagen der Banken, fällig werdende Staatsanleihen durch den Kauf neuer Bonds abzulösen. Damit soll Athen mehr Luft verschafft werden.
Nach Zahlen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel hielten die deutschen Banken im internationalen Vergleich mit 22,7 Milliarden Dollar die meisten griechischen Staatsanleihen (Stand Ende 2010), wobei die gesamten Forderungen der Banken gegenüber Griechenland bei 34 Milliarden Dollar lagen. Andere haben drastisch reduziert, so auch Frankreich auf 15 Milliarden Dollar. Ende des ersten Quartals 2010 lag das Engagement deutscher Institute bei 23,1 Milliarden Dollar, Frankreichs sogar bei 27 Milliarden Dollar.
Offen ist aber, ob Deutschland sich mit einer "sanften Umschuldung" im Kreis der Euro-Länder und bei der Europäischen Zentralbank (EZB) durchsetzen kann. Auch Ratingagenturen warnen vor so einem Schritt, der eine neue gefährliche Kettenreaktion an den Märkten auslösen könnte. Eine einheitlich Linie fehlt in der EU: Die Slowakei stellte klar, dass sie das geplante neue Hilfspaket für Griechenland weder blockieren noch bremsen will, sie beharrt jedoch nach Aussagen der Regierung auf der Erfüllung klarer Bedingungen.
In Griechenland ringt Regierungschef Giorgos Papandreou um die Zustimmung der Bürger, der eigenen Partei und des Parlaments zu dem 78 Milliarden schweren Sparprogramm. Am Donnerstag soll der Ministerrat den Plan billigen, bis Ende Juni soll auch das Parlament zustimmen. Er schloss nicht aus, die Griechen in einer Volksabstimmung zu den Reformen zu befragen. "Unsere Partner (in der EU) sind bereit zu helfen." Sie müssten aber sehen, dass auch die Griechen entschlossen seien.