Salzburger Festspiele: So klingt Technik

Bei den Salzburger Festspielen zeigen nicht nur Musiker und Schauspieler ihre Kunst, sondern hinter den Kulissen auch die Ingenieure von Siemens.
von  Susanne Stephan
Festspiel-Experte Edwin Pfanzagl: Akribisches Sounddesign.
Festspiel-Experte Edwin Pfanzagl: Akribisches Sounddesign.

 

SALZBURG Die Kunst und das Raumklima, das ist manchmal eine schwierige Liaison. Starsänger Rolando Villazón mag es warm, weiß Marcus Piso von den Salzburger Festspielen. Dirigent Christian Thielemann dagegen schätzt kühle Temperaturen. Und dann gibt es das Publikum, das sich ungünstigerweise sowohl aus Männern als auch aus Frauen zusammensetzt, letztere viel verfrorener als erstere.

Die Salzburger Festspiele, das bedeutet hochkarätige Darbietungen vor beeindruckendem Panorama und gleichzeitig Anforderungen an die Menschen hinter der Kulisse, die manchmal schier unschaffbar sind. Nicht nur Snobs rümpfen heutzutage die Nase über Autos ohne Klimaanlage. Alle Welt erwartet von Kauhäusern ein angenehmes Raumklima und schreibt wütende Beschwerdebriefe, wenn der Theaterbesuch durch schwüle Sommerluft getrübt wurde. Wer von diesen Ansprüchen profitiert, sind die Gebäudetechnik-Experten von Siemens: Sie sorgen für Wohlfühl-Temperaturen beim Kulturgenuss, für ein perfektes Klangerlebnis und die Sicherheit der Spielstätten.

Bei der Kühlung hilft die Natur in Form des Almkanals,einem Abfluss der Königsseeache. In einem über 18 Kilometer langen Netzwerk von unterirdischen Tunneln und Kanälen durchfließt er den Untergrund der Salzburger Altstadt. Historiker sprechen vom ältesten Kanalsystem Mitteleuropas, dessen Anfänge im 8. Jahrhundert vermutet werden. Zahlreiche Gebäude in Salzburg nutzen die kühlen Temperaturen des Gebirgswassers – entweder direkt für die Kühlung von Raumluft oder für die Entfeuchtung: Wird Luft mit hohem Wassergehalt gekühlt, kondensiert das Wasser und kann abgeschieden werden. Danach wird die Luft wieder erwärmt, auf 23 bis 24 Grad – „man sitzt ja länger am Abend, bewegt sich nicht, da braucht es eben etwas wärmere Temperaturen“, sagt Siemens-Experte Alexander Kerschbaumer. Die Almkanal- Technik sorgt im Großen Festspielhaus dafür, dass trotz zimmerwarmer Temperaturen keine Schweißflecken die Abendgarderobe der Besucher verunzieren und die Instrumente nicht unter schwankender Luftfeuchtigkeiten leiden.

Dazu kommt der perfekte Klang. Für Gänsehaut-Erlebnisse ist „Vivace“ zuständig. Mit dem Siemens-Soundsystem werden beispielsweise in der Felsenreitschule 50 Lautsprecher einzeln angesteuert. Die Tontechniker können dem Orchester einen längeren und satten Nachhall verpassen, sagt Edwin Pfanzagl von den Festspielen. Bei Operndarbietungen darf es bis zu zwei Sekunden dauern, bis der Schall verstummt – in der Felsenreitschule wählt Pfanzagl 1,3 bis 1,5 Sekunden. Sprechtheater ist auf trockenen Sound angewiesen, damit jedes Wort verständlich ist nicht zu Klangbrei verschwimmt. Länger als eine Sekunde sollte es nicht nachhallen. Manchmal müsse er einem Sänger über ein wagnerianisch-volltönendes Orchester hinweghelfen, berichtet Pfanzagl, gegen das der Künstler ohne elektronische Unterstützung kaum ansingen könnte. Dann helfen winzige Mikrofone, die von der Decke abgehangen werden und die Stimme des Sängers auf Lautsprecher hinter den Seitenpaneelen des Zuschauerraums übertragen. Knifflig wird’s, wenn Sänger oder Schauspieler raumgreifend über die Bühne gehen, oder wenn ein künstliches Geräusch durch den Raum geschickt werden soll. Dann muss „Vivace“ beweisen, dass es seinen Preis wert ist. „Allein für den Prozessor müssen’s schon 50- bis 70000 Euro rechnen“, bemerkt Pfanzagl trocken.

Sämtliche Handlungen auf der Bühne – ob ein Sänger von links nach rechts läuft, seinem Widersacher an die Gurgel geht, dass das Kunstblut sprudelt oder seine Liebste küsst – werden im Inspizientenbuch festgehalten. In dieser Kladde, die auf dem Inspizientenstand in der Nähe des Bühnenrandes liegt, stehen detaillierte Regieanweisungen und technische Anleitungen. Von hier aus werden per Lautsprecher die Schauspieler aus der Garderobe oder einem Pausenraum auf die Bühne gerufen, wenn es Zeit wird für ihren Auftritt. Improvisiert wird so wenig wie möglich. Jeder kleinste Lichtwechsel, jedes Geräusch muss sitzen. Das Schlimmste wäre ein Abbruch der Vorstellung, ein jähes Ende der Illusion, weil irgendjemand zu spät kommt oder irgendein Schalter im endlosen Kabelwirrwarr hinter der Bühne nicht umgelegt wurde. So gesehen ist die Nervosität der Techniker bei Unregelmäßigkeiten verständlich.

Echte Spannung kommt freilich auf, wenn sich in einem unscheinbaren Raum im ersten Stock des „Haus für Mozart“ jemand querstellt. Auf geschätzten acht Quadratmetern, hinter einer Tür mit der nüchternen Aufschrift „Polizei - Feuerwehr“ versammeln sich hier eine Stunde vor Vorstellungsbeginn drei Menschen: Je ein Vertreter der Feuerwehr, des Magistrats und der Bundespolizei. Diese Herren sind in diesem Moment wichtiger als die Schauspieler, der Regisseur und die Festspielleitung. Sie können den Daumen über einer Aufführung senken, weil ein Brandmelder einen Fehlalarm ausgelöst hat oder ein falsch geparktes Auto einen Notausgang versperrt. Von hier aus würden im Fall des Falles über 450 Lautsprecher sämtliche Menschen zum Verlassen des Gebäudes aufgefordert. Oder die Amtsträger bescheinigen, dass gemäß Veranstaltungsstättenverordnung alles seine Ordnung hat – und der Bühnenvorhang kann sich heben. Susanne Stephan

 

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