Ruhig mal Krallen zeigen!

Im Privatleben zahlt es sich aus, höflich zu sein. Im Job haben solche Tugenden oft nicht viel Gewicht
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MÜNCHEN/HAMBURG Wer nett und freundlich ist, hatte bestimmt schon einmal mit einem solchen Chef das Vergnügen. Er kommt in letzter Minute und halst einem ein kompliziertes Projekt auf, das als verloren gilt. Oder solche Menschen kennen sicher auch den Kollegen, der in der Kantine immer katzenfreundlich ist – und einem dann in der Konferenz vor dem Chef in die Parade fährt. Um in solchen Situationen nicht als Verlierer darzustehen, müssen friedliebende Kollegen lernen, sich zu wehren. Doch wie? „Die meisten von uns sind so sozialisiert, hilfsbereit zu sein“, erklärt Karrierecoach Natalie Schnack aus Ahrensburg in Schleswig-Holstein. Doch wer nicht lernt, die Krallen auszufahren, kann von denen, die nicht so sozialisiert sind, schnell ausgenutzt werden. Kompetenz oder Qualifikationen spielen dabei kaum eine Rolle. Vielmehr geht es um Machtspiele. 

Die gute Nachricht ist, dass Beschäftigte nicht selbst unfair und intrigant werden müssen, um sich zu behaupten. Es reicht aus, das Spiel zu durchschauen, sagt Jens Weidner, Professor für Erziehungswissenschaften an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg. Gerade hat er zum Thema ein Buch veröffentlicht. Beschäftigte sollten hellhörig werden, wenn Chefs oder Kollegen anfangen, Komplimente zu machen. „Eine der beliebtesten Maschen von Chefs ist das berechnende Lob“, warnt er. „Wer anfängt, einen anderen zu bauchpinseln, will ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit unangenehme Arbeit aufhalsen.“

In so einer Situation verschaffen sich Beschäftigte am besten zunächst einmal Zeit.  „Zuallererst sollte man nachfragen, wie der Zeitplan ist“, erklärt Weidner. Ist die Arbeit nicht zu schaffen, blocken Beschäftigte sie am besten ab. Effektiv ist es auch, die Aufgabe an Kollegen abzuschieben - etwa mit dem Spruch: „Ich habe leider keine Zeit, aber eine Idee, wer bestens für den Job geeignet ist.“ Dann könnten Beschäftigte einen Kollegen empfehlen, der ihnen schon länger ein Dorn im Auge ist.  Lässt sich der Job partout nicht weitergeben, sollten Beschäftigte den Chef zumindest fragen, welche Arbeit sie dafür liegenlassen können, rät der Karrierecoach Theo Bergauer aus Waldsassen in Bayern. Wer dem Boss keinen Widerstand leistet, darf sich nicht wundern, wenn der ihm immer mehr Arbeit aufhalst.  Gegenüber Kollegen bietet sich auch ein anderes Mittel an, um sich zur Wehr zu setzen.

Unter ihnen gibt es Kandidaten, die oft Hilfe in Anspruch nehmen, sich selbst aber wenig kollegial verhalten, wenn Not am Mann ist. Bei ihnen rät Weidner zu arroganter Ignoranz. „Wenn mich ein wenig kollegialer Kollege fragt, ob ich ihm einen Gefallen tue, sage ich einfach „Nein““, sagt Weidner. . Nach einer kurzen Pause könnte dann noch folgen: „Und überleg' Dir mal, warum.“ In der Regel reicht das schon aus, um sich bei dem Mitarbeiter Respekt zu verschaffen. Ein etwas anderer Umgang empfiehlt sich bei Kollegen, die einen öffentlich kritisieren. Hier gilt: „Bloß nicht kontern“, sagt Weidner. „In der Regel hat das Gegenüber sich die fiese Attacke gut überlegt, ich aber habe nur Sekunden Zeit zu parieren. Da sollte man nix überhasten.“

Bergauer rät deshalb, die Attacke noch einmal zu wiederholen oder eine Detailnachfrage zu stellen. Oft reicht es auch, im Moment des Angriffs nur zu sagen: „Danke für den Hinweis. Ich denke darüber nach.“ Dann machen sich die Angegriffenen eine Notiz, dass sie den Kollegen am nächsten Tag zur Rede stellen.  „Wenn mich Kollegen nicht so behandeln, wie ich das möchte, muss ich mir zuerst überlegen, woran das liegt“, erklärt Schnack. Einige vermittelten nach außen den Eindruck, dass von ihnen keine Gegenwehr zu erwarten ist. Wer sich selbst klein fühle, strahle das auch aus, meist schon mit der Körpersprache. „Daran kann man arbeiten“, erzählt sie und gibt ein Beispiel. „Wenn das Gegenüber steht, um mir etwas zu sagen, stehe ich auch auf.“ Weidner rät, sich eine Liste mit den eigenen Stärken zu machen sowie mit Komplimenten, die Beschäftigte bekommen haben. Wenn man etwas verbockt, führe man sich innerlich diese Liste der Komplimente vor Augen. „Das stärkt ungemein“, erzählt er.  Grundsätzlich gilt für Weidner: „Es wird nur der ein Superheld, der sich auch für super hält.“ Das ist nicht einfach, und doch weiß er, dass auch freundliche Zeitgenossen durchaus eine gewisse Aggressivität entwickeln können, was in der Regel zum Erfolg führt: „Denn wer nach Ärger riecht, mit dem will keiner Ärger haben.“ Britta Schmeis

 

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