Rentengarantie: Die Jungen zahlen die Zeche

BERLIN/MÜNCHEN - Noch vor der Sommerpause will der Bundestag die Rentengarantie verabschieden. Die Ruheständler freut’s. Die Beitragszahler kommt es teuer zu stehen. Sie werden künftig deutlich mehr in die Rentenkasse einzahlen müssen als geplant.
Es ist eine gute Nachricht für alle Ruheständler: Der Staat garantiert ihnen künftig die Höhe ihrer gesetzlichen Rente. Für die Beitragszahler jedoch ist die Rentengarantie schlecht: Sie zahlen dafür die Zeche.
Der Grund: Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) stiehlt sich aus der Verantwortung: Er will den Steuer-Zuschuss zur Rentenkasse kürzen. Die Arbeitgeber fürchten deshalb ein Milliarden-Minus. Da die Renten nicht sinken sollen, müssen das die Beschäftigten ausgleichen – über höhere Beiträge in der Zukunft.
Warum entsteht das Loch in der Rentenkasse? Derzeit zahlen Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils 9,95 Prozent des Bruttolohns in die Rentenkasse ein – zusammen 19,9 Prozent. Das reicht aber nicht, um alle Renten zu finanzieren. Deshalb schießt der Bund heuer fast 80 Milliarden zu. Der größte Teil davon ist lohnbezogen. Das heißt: Sinken die Löhne, sinkt auch der Zuschuss des Staates.
Genau das ist der Fall: Die führenden Wirtschaftsinstitute sagen für 2009 einen Rückgang der Pro-Kopf-Löhne von 2,3 Prozent voraus. Minister Scholz will deshalb den Staatszuschuss senken. Da der Staat 2010 aber die Renten mindestens konstant halten will, müssen die Beitragszahler die Lücke stopfen.
Wie groß ist das Rentenloch? „Bei der prognostizierten Lohnsenkung dürfte der Staatszuschuss um 1,3 Milliarden Euro zurückgehen“, sagt Martin Kröger Renten-Experte beim Arbeitgeberverband BDA. Gleichzeitig müssten die Renten um vier Milliarden sinken – was aber die Rentengarantie verhindert. Auch das müssen die Beitragszahler schultern. Die Gesamtlücke daher: 5,3 Milliarden Euro. Der BDA sagt sogar, es ist noch mehr. Denn der Staat hat in den letzten Jahren auf eigentlich nötige Rentenkürzungen verzichtet. Das Loch sei daher insgesamt neun Milliarden groß.
Steigen jetzt die Beiträge zur Rentenversicherung? Eigentlich müssten sie es – und zwar kräftig. Die AZ hat ausgerechnet: Der Beitragssatz müsste bei einer Lücke von 5,3 Milliarden Euro auf 20,5 Prozent hoch gehen. Ein Durchschnittsverdiener (Monatsbrutto: 3127 Euro) würde dadurch mit 112 Euro mehr im Jahr belastet. Bei einer Lücke von neun Milliarden müsste der Beitragssatz sogar auf 20,9 Prozent steigen. Zusatzbelastung: 187 Euro im Jahr.
Allerdings verbietet das Sozialgesetz, dass die Beiträge bis 2020 über 20 Prozent steigen. Ein Anstieg wäre demnach ein glatter Gesetzesbruch. Die Folge: „Geplante Beitragssenkungen in der Zukunft dürften ausfallen“, glaubt Jochen Pimpertz, Sozial-Experte beim Institut der Deutschen Wirtschaft.
Ab wann müssen die Arbeitnehmer zahlen? Spätestens ab 2011. Dann sollen die Renten-Beiträge von 19,9 auf 19,3 Prozent sinken. Das dürfte schwierig werden, heißt es beim BDA. Jährliche Belastung für den Durchschnittsarbeitnehmer: 112 Euro. Und: Auch 2012 wird der Beitragssatz voraussichtlich „bei 19,9 Prozent stehen bleiben anstatt auf 19,1 Prozent zu sinken“, meint Experte Pimpertz. Belastung: nochmal 150 Euro. Wie’s danach weitergeht, ist offen. „Die notwendigen Beitragssenkungen in der Zukunft“, sagt BDA-Experte Kröger, „sind massiv gefährdet.“
tha/aja
Info: Der Streit um die Rentengarantie
Noch vor der Sommerpause des Bundestags soll die Rentengarantie Gesetz werden. Künftig dürfen dann die Renten nicht mehr sinken – selbst wenn die Löhne runter gehen. Der Staatszuschuss zu den Renten jedoch bleibt an die Löhne gekoppelt. Er sinkt also weiterhin, wenn die Verdienste schrumpfen. Für die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) ein Unding: „Auch das hätte man im Gesetz ändern müssen“, heißt es beim BDA. Neben der Renten- müsse es eine Staatszuschuss-Garantie geben. Sonst werden die Kosten einseitig den Beitragszahlern zugeschoben – also Arbeitnehmern und Arbeitgebern.
Das Arbeitsministerium hingegen wiegelt ab: Trotz gegenteiliger Experten-Prognosen sei nicht ausgemacht, dass die Pro-Kopf-Löhne in diesem Jahr zurückgehen. Seit 1957 habe es das noch nie gegeben. Die Regierung geht heuer sogar von einem leichten Lohnanstieg aus.