Quelle-Mitarbeiter: „Echter Schmerz, echte Tränen“

Kein Investor traut sich die Rettung des maroden Versandhauses zu. Die Beschäftigten sind sauer auf den Insolvenzverwalter. Und Firmen-Erbin Madeleine Schickedanz verliert ihr Vermögen.
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Madeleine Schickedanz verliert große Teile ihres Privatvermögens
dpa 2 Madeleine Schickedanz verliert große Teile ihres Privatvermögens

Kein Investor traut sich die Rettung des maroden Versandhauses zu. Die Beschäftigten sind sauer auf den Insolvenzverwalter. Und Firmen-Erbin Madeleine Schickedanz verliert ihr Vermögen.

Armin Bachhuber kann nicht mehr lächeln. 9000 Quelle-Mitarbeiter werden arbeitslos. Der 46-Jährige ist einer von ihnen. Seit 20 Jahren arbeitet er bei dem Versandhaus in Nürnberg. Betriebsrat ist er auch noch. Er sagt: „Der Krieg ist verloren.“

Dass Quelle dichtgemacht wird, hat Bachhuber im Videotext gelesen. „Ich bin leer, kaputt“, sagt er. „Ich glaube, man wollte das so.“

Heute ist er zu seinen Kollegen gegangen, hat versucht, ihnen Mut zu machen. Er hat Dinge gesagt wie „Jedes Ende ist ein Neuanfang.“ Als er davon erzählt, hält er inne: „Das sind ja Begräbnisparolen.“

Der Krieg ist verloren: Quelle ist bankrott und wird abgewickelt. Und das, obwohl Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg noch vor kurzem angedeutet hatte, dass er bald einen Investor für das marode Traditions-Versandhaus präsentieren wolle. 9000 Mitarbeiter werden ihren Job verlieren. 1500 Mitarbeiter hatten schon vorher die Kündigung bekommen. Insolvenzverwalter Görg wird jetzt die profitablen Unternehmensteile verkaufen, um die Gläubiger zu befriedigen. Und Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz, einst eine der reichsten Deutschen, verliert große Teile ihres Privatvermögens.

Der Krimi um Quelle hatte im Juni begonnen, als die Quelle-Mutter Arcandor Insolvenzantrag stellen musste. Seither war Quelle mit Hilfe eines 50-Millionen-Euro-Kredits von Bund, Bayern und Sachsen am Leben erhalten worden. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer machte 21 Millionen Euro für Quelle locker. Vergebens. Für ihn ist das Quelle-Desaster ein großer Image-Schaden.

Was ist da schiefgelaufen? Nach AZ-Informationen wollte sich kein Investor das Risiko-Unternehmen Quelle antun: Im Herbst sei der Umsatz um 50 Prozent eingebrochen, heißt es aus Bankenkreisen. Die Investoren hatten gefordert, dass drei Banken das riskante Ratenzahlungssystem des Versandhauses absichern sollten. Doch die Banken – die Valovis-Bank, die Commerzbank, und die BayernLB – wollten keine Garantie für das riskante Geschäft geben, ohne vorher den Investor zu kennen. „Wir haben keinen Kontakt zu Investoren gehabt“, heißt es aus einer der Banken. Görg schiebt jetzt den Banken die Schuld in die Schuhe, die Banken verweisen auf überzogene Forderungen der Investoren.

Bei den Mitarbeitern und den Gewerkschaften ist die Wut auf den Insolvenzverwalter und die Politik groß. „Die Leute fühlen sich verarscht, dass man ihnen immer wieder Hoffnung gemacht hat“, schimpft Stephan Doll, der DGB-Chef von Mittelfranken.

„Als ich angefangen habe, vor sechs Jahren, waren wir in meiner Abteilung noch 150 Mitarbeiter. Heute sind wir nur noch 28. Und das sind die schwer vermittelbaren“, sagt Quelle-Mitarbeiterin Beatrix Zensner. Geahnt haben sie das Ende schon. Den Politikern mit ihren Wahlversprechen haben sie nie getraut. Aber sie haben gehofft.

Jetzt ist es vorbei. „Dass Quelle geschlossen wird, das ist so, als ob ein Familienmitglied stirbt.“ Was sie in ihrer Abteilung und im gesamten Unternehmen erlebt, ist noch keine Wut. „Die können noch nicht wütend sein. Das ist im Moment noch echter Schmerz, echte Trauer, echte Tränen. Da muss man sich um manchen Kollegen wirklich Sorgen machen.“

Einige sind heute schon gar nicht mehr erschienen an ihrem Arbeitsplatz, erzählt Dietmar Hansel: „Da ist bestimmt ein Drittel daheim geblieben.“ Der 50-Jährige ist seit 15 Jahren in Nürnberg beschäftigt. Erst war er Einrichtungsberater, dann wurde seine Abteilung geschlossen, noch arbeitet er im Service. „Das heute ist ein Schlag in den Magen", schimpft er.

Und dann ist da noch die Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz (66) die noch vor wenigen Jahren zu Deutschlands reichsten Frauen zählte: Sie verliert durch den Bankrott ihr privates Vermögen, das sie vor einem Jahr zur Rettung der Firma eingesetzt hatte.

Die Banker ließen sich zur Absicherung Grundschulden von 215 Millionen Euro in die Grundbücher der Schickedanz-Anwesen eintragen. Seitdem können sie rund ein Dutzend Immobilien und Grundstücke per Zwangsvollstreckung einziehen und veräußern. Dazu zählen neben ihrem Elternhaus im mittelfränkischen Hersbruck auch Häuser in Nürnberg, München und Hamburg, sowie eine Ferienvilla mit Bootshaus am Tegernsee. Ebenfalls verpfändet ist das Geschäftshaus in Hersbruck, in dem ihre Eltern Grete und Gustav Schickedanz vor 82 Jahren ihren geschäftlichen Siegeszug begannen.

Unklar ist derzeit noch, ob die Quelle-Erbin durch die Pleite auch ihren Besitz in St. Moritz (Schweiz) verliert. Ihr Haus befindet sich in einer der teuersten Wohnlagen der Welt. Das 2100 Quadratmeter große Grundstück ist mehr als 50 Millionen Euro wert.

V. ter Haseborg, M. Mai und H. Reister

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