Politik wird spannender
"In Bayern hat eine neue politische Zeitrechnung begonnen": Arno Makowsky, Chefredakteur der Abendzeitung, über das Desaster für die CSU.
An diesem Montag fühlt sich Bayern anders an als bisher. Das liegt nicht nur an dem Wahlergebnis, das der CSU die absolute Mehrheit verwehrt und zu einer Koalition mit der FDP führen wird. Es liegt auch nicht nur daran, dass Erwin Huber und Günther Beckstein gescheitert sind und mindestens Huber samt seiner Generalsekretärin zurücktreten wird. Es liegt an der Gewissheit, dass in Bayern eine neue politische Zeitrechnung begonnen hat. Die von der CSU immer beschworene Einheit von Land und Partei hat sich aufgelöst. Sie ist zu einer ganz normalen Partei geworden, deren Alleinvertretungsanspruch plötzlich nicht mehr zeitgemäß ist.
Bei der Suche nach den Ursachen könnte man auf dem Oktoberfest anfangen. Worüber haben die Menschen geredet, beim Bier, ein paar Tage vor dieser wichtigen Wahl? Über die Pendlerpauschale? Nein, der gängigste Spruch in den Bierzelten lautete: „Zwei Maß gehen immer. Sagt auch der Beckstein!“ Das hat mit dem desaströsen Abschneiden der CSU eine Menge zu tun - nicht inhaltlich, aber gefühlsmäßig. Es bedeutet, dass diese Partei nicht mehr ernst genommen wird. Dass sie kein Thema hatte, das bei ihren Wählern ankommt. Und dass ihre Repräsentanten nicht als charismatisch gelten, sondern als Witzfiguren. Einer solchen Partei gibt man keine absolute Mehrheit.
Die Chance, die Herzen der Bayern zu gewinnen, haben Erwin Huber und Günther Beckstein von Beginn ihrer Amtszeit an vermasselt. Das Erbe von Stoiber anzutreten, hätte bedeuten können: eine CSU, die bundespolitisch etwas weniger Gewicht hat, aber dafür bayerisch-bodenständig-sympathisch ist. Die näher an den Bürgern dran ist, die Probleme des Landes spürt und sie zum Thema macht. Aber was hat das Tandem getan? Es hat bundespolitische Themen schwach verkauft. Die Pendlerpauschale: ein Krepierer. Niedrige Steuern, Kindergeld, die Abgabendiskussion: alles Dinge, die nicht in Bayern, sondern in Berlin entschieden werden. Und dann der alberne Kreuzzug gegen die Linken – in einem Bundesland, in dem alte SED-Kader nun wirklich keine Rolle spielen.
Das eigentliche Problem von Beckstein und Huber war: Niemand weiß so genau, wofür die beiden eigentlich stehen. Gegen die Dynamik, mit der Edmund Stoiber Themen wie G8 und Sparpolitik nach vorne (und oft in die falsche Richtung) peitschte, wirken die beiden lahm. Ein Parteivorsitzender Huber wurde dem Anspruch der Bayern, Stärke in Berlin zu zeigen, nicht gerecht; eher agierte er hilflos. Und Günther Beckstein gelingt die Rolle des Landesvaters nicht überzeugend. Als Innenminister wusste er mit Stärke und gelegentlichem Witz zu glänzen; als Ministerpräsident wirkt er unverbindlich, wenig mitreißend. Es mangelt ihm an Profil - und dieses Problem teilt er mit seiner Partei.
Die SPD kann davon nicht profitieren; die bayerische Sozis müssen ihre Glücksgefühle aus einer fremden Niederlage beziehen. Die Maget-Idee einer Viererkoalition jenseits der CSU ist natürlich weltfremd; wenn man von einem Wählerwillen reden will, dann deutet dieser auf eine bürgerliche Mehrheit hin. Aber wie auch immer: Die Politik in Bayern wird spannender. Das ist das eigentliche - positive - Ergebnis dieser Wahl.