Pleite, na und?

Die Pleitewelle rollt. Sie macht Neuanfänge oft erst möglich, sagen Juristen. In der Krise wächst das Verständnis für gescheiterte Chefs. Eine Insolvenz muss nicht das Ende aller Dinge sein
MÜNCHEN 500000 Euro Schulden, zu wenig Geld für die laufenden Ausgaben. Vor einem Jahr musste die Traditionsgaststätte „Kreitmair" vor den Toren Münchens Insolvenz anmelden. Axel Bierbach kam – und rettete den Betrieb mit juristischer Finesse vor dem finalen Untergang. Geschäftsanteile wurden verkauft, die GmbH saniert. Als „Gasthof Gut Keferloh“ pflegt das Lokal heute bayerische Gastlichkeit.
Die Wirtschaftsauskunftei Creditreform rechnet für heuer mit über 16 Prozent mehr Insolvenzen als im vergangenen Jahr. Eine Katastrophe? Wie man’s sieht. Mitunter ermöglicht erst die Insolvenz einen Neuanfang, berichtet der Münchner Insolvenzverwalter Axel Bierbach.
Neue Regeln erleichtern das Überleben nach der Pleite
Bierbach arbeitet für die renommierte Kanzlei MHBK, die illustre Pleitefälle wie Hettlage, das Gastro-Reich des früheren Szene-Wirts Michi Beck, die Schrannenhalle oder Giovane Elbers Dinnershow betreute und dabei einige Erfolge vorweisen kann. Etwa beim Gut Keferloh, aber auch bei Meindl in Dachau: Der kleine Druckereibetrieb hatte sich überhoben. Als die Branche brummte, hatte er teure Maschinen geleast und großzügige Räumlichkeiten gemietet. Als die Geschäfte schlechter liefen, blieb nur noch der Gang zum Insolvenzgericht.
Axel Bierbach krempelte das Unternehmen um. Aus drei Firmen wurden zwei, 16 Beschäftigten wurde gekündigt, die Miet- und Leasingverträge neu verhandelt. „Danach lief der Laden“, erinnert sich der 39-Jährige.
Möglich gemacht hat den Erfolg eine relativ neue gesetzliche Regelung – das so genannte Insolvenz-Planverfahren. Dabei kann der Insolvenzverwalter ziemlich flexibel mit den Gläubigern aushandeln, wieviel Prozent ihrer Forderungen sie zurückbekommen. Am Ende wird der Betrieb nicht abgewickelt, sondern saniert und kann mit den gleichen Eigentümern wie früher weitermachen.
„Insolvenz“ ist kein Stigma mehr
Auch der Schreibwarenhersteller Herlitz überlebt die Pleite unter der Regie von Insolvenzverwalter Peter Leonhard auf diese Art. Andere Unternehmen wurden dagegen umgebaut oder verkauft – und dadurch gerettet. Beispielsweise Wienerwald: Nach der Pleite 1983 wechselte das Unternehmen zwar wiederholt den Besitzer, brät aber immer noch Hähnchen. Oder der Uhrenhersteller Junghans im Schwarzwald, lange im Besitz der chinesischen Egana-Goldpfeil: 2008 war das Unternehmen insolvent, konnte aber an zwei Unternehmer aus der Region verkauft werden.
Oder die Berliner Filmfirma Senator: 2004 hatten Abschreibungen das Grundkapital aufgezehrt. Ein Börsengang und eine Kapitalerhöhung brachten zwei Jahre später die Erlösung. Senator lebt immer noch und produzierte zuletzt unter anderem den viel beachteten Film „Der Vorleser“.
Freilich kann auch eine noch so gut gemanagte Pleite das finale Aus nicht immer verhindern, räumt Insolvenzverwalter Bierbach ein. Etwa beim Druckereibetrieb Meindl: Rund ein Jahr, nachdem der Betrieb gerettet war, kündigte der Vertriebsleiter und nahm die Kundendatei gleich mit – das endgültige Ende für die Firma. Eine herbe Enttäuschung. „So etwas ist die Ausnahme“, tröstet sich Bierbach. Meist steht ein Betrieb nach der Pleite besser da als vorher, ist er sich sicher. Und er ist in Zeiten der Krise nicht im gleichen Maß wie früher stigmatisiert. „Das Verständnis dafür, dass es eine Firma aus dem Markt hauen kann, ist gewachsen.“ sun