Paulis letzter Dienst
"Haben sich die Freien Wähler und die FDP zu früh gefreut?" Frank Müller über die Turbulenzen bei den freien Wählern.
Egal, ob man Gabriele Paulis Politikstil der gezielten Provokation nun als unterhaltsam oder als unseriös empfindet – er entfaltet Wirkung. Und zwar ironischerweise noch immer eine, für die sich die CSU nur bedanken kann. Erst verhalf sie ihren (mittlerweile Ex-)Parteifreunden dazu, den Übervater Edmund Stoiber zu überwinden. Und nun sorgt sie mit dafür, dass sich die Freien Wähler, ihre neue Heimat, schon zum Auftakt des Wahlkampfs selbst zerlegen.
Gäbe es CSU-Ehrennadeln für herausragende Verdienste nach einem Parteiaustritt – Gabriele Pauli wäre für ihren Coup im Stimmkreis Nürnberg-Nord ein Exemplar sicher. Denn die Freien Wähler sind zwar einerseits eine auf landespolitischer Ebene ebenso kleine wie politisch unterbelichtete Kraft. Doch gleichwohl sind sie neben der FDP das Hauptschreckgespenst für die CSU. Denn deren Stimmen sind es, die Günther Beckstein am Ende im Kampf um die absolute Mehrheit fehlen könnten. Bleiben FW und FDP dagegen unter der Fünf-Prozent-Hürde, ist der CSU die alleinige Macht auch in der kommenden Wahlperiode kaum zu nehmen.
Am Ende könnte die Frage, ob sich Freie Wähler und Liberale nicht ein wenig zu früh gefreut haben, eine der spannendsten dieses Wahlkampfs werden. Das allzu offensichtliche Streben Richtung Macht und Ministerposten stößt jedenfalls viele Wähler ab. Die könnten sich am Ende sagen: Postengeschacher bekomme ich auch bei der CSU. Aber dort wenigstens auf professionellem Niveau. (Bericht Seite 4)
Der Autor ist stellvertretender Chefredakteur der Abendzeitung.