Opfer der gewaltigen Gewinnmaschine

Wer nicht genug in die Kasse bringt, wird Opfer der gewaltigen Gewinnmaschine: Laut Experten werden die Rettungsversuche der Politik nicht helfen, denn Bochums Nokia-Standort schafft keine 25 Prozent Rendite
MÜNCHEN/BOCHUM Wenn es um neue Produkte geht, beweist Nokia höchste Sensibilität. 100000 Interviews mit potenziellen Kunden führten die acht auf allen Kontinenten verteilten Design-Studios allein 2007. Schließlich sollen neue Handys den Geschmack des Publikums treffen.
Weniger feinfühlig geht der finnische Konzern dagegen mit seinen Mitarbeitern um. Wer nicht genug in die Kasse bringt, wird Opfer der gewaltigen Gewinnmaschine. Siehe Bochum: Obwohl der Standort mit seinen 2300 Mitarbeitern rund 15 Prozent Rendite erwirtschaftet, will ihn Nokia-Chef Olli-Pekka Kallasvuo zur Jahresmitte dichtmachen. Die Arbeitsplätze verlagert er ins kostengünstigere Rumänien. Nur so schafft es der Konzern künftig, seinen Profitkurs fortzusetzen: 2007 stieg der Gewinn um 67 Prozent auf 7,2 Milliarden Euro. 85 Prozent aller Gewinne der Handybranche erwirtschaftet der Marktführer, so Analysten von Credit Suisse First Boston.
Spät, wahrscheinlich zu spät, unternahm die Politik jetzt einen Rettungsversuch. Nokia-Chef Kallasvuo kam am Montag nach Düsseldorf. Mit Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) verabredete er die Einsetzung eines Arbeitsteams, das „innovative Lösungen für die Zukunft des Nokia-Standortes Bochum“ ausloten soll. Der Betriebsrat bot unterdessen an, die Produktion bei gleicher Belegschaft zu verdoppeln, vorausgesetzt der Maschinenpark werde erneuert.
Experten wie der Dresdner Bank-Analyst Chris-Oliver Schickentanz haben indes wenig Hoffnung für eine Rettung des Standortes: „Der frühere Nokia-Finanzchef Kallasvuo ist ein nüchterner Zahlenmensch, der die Emotionen der Betroffenen kaum nachvollziehen kann. Der setzt die einmal rational getroffene Entscheidung durch.“
Grund für die harte Linie ist die Industriedynamik im Mobilfunk. Das Wachstum kommt aus den so genannten „Emerging Markets“ wie Indien und China. Dort haben nur „Ulchs“ eine Chance – ultra low cost handsets genannte Billighandys, die auf den asiatischen Märkten maximal 40 Euro kosten dürfen.
Um dabei die Rendite von 25 Prozent zu halten, fertigt Nokia überwiegend in Billiglohnländern wie Brasilien und China. „Wenn man diese Rendite mit einem Billighandy schaffen will, muss man alle Elemente der Fertigung kostengünstig gestalten, auch den Produktionsprozess selbst“, so Schickentanz.
Eine gute Lösung deutete sich gestern zumindest für die 200 Mitarbeiter der Bochumer Auto-Zulieferersparte ab. Razvan Olosu, Ex-Deutschland-Chef von Nokia, will den Bereich zusammen mit einem Finanzinvestor kaufen und in Bochum weiterführen. sie