Opel: Das kleinere Übel hat die besten Chancen
BERLIN - Bei der Opel-Rettung favorisiert die Bundesregierung den Zulieferer Magna und dessen russische Partner. Auch die betroffenen Bundesländer sind dafür - bis auf Nordrhein-Westfalen. Nächste Woche soll die Entscheidung fallen.
Frank Stronach kann sich so langsam auf den Weg nach Rüsselsheim machen. Der Chef des kanadisch-österreichischen Zulieferers Magna hat beste Chancen, mit seinem Firmen-Konsortium den Zuschlag für einen Einstieg bei Opel zu bekommen.
Die Bundesregierung hält das Magna-Konzept für den interessantesten der drei Opel-Rettungspläne. Auch die Ministerpräsidenten Hessens und Thüringens finden das. Das wurde nach einem Spitzentreffen am Freitag deutlich. Neben Magna haben Fiat und der US-Finanzinvestor Ripplewood Konzepte vorgelegt. Beide bleiben im Spiel. Am „tragfähigsten“ sei aber der Magna-Vorschlag, sagte SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier. Nordrhein-Westfalens Regierungschef Jürgen Rüttgers will dagegen dem Magna-Konzept nicht zustimmen. Die endgültige Entscheidung soll nächste Woche fallen.
Was für Magna spricht. „Eigentlich fast alles“, so der Duisburger Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer zur AZ. Magna will 20 Prozent an Opel, der russische Autobauer und Magna-Partner Gaz zusammen mit der russischen Sberbank 35 Prozent. Auch die Opel-Mutter General-Motors soll nach dem Magna-Plan 35 Prozent halten, den Rest die Opel-Belegschaft. Der Vorteil von Magna: Opel könne sich mit Magna in Europa „ohne einen Rivalen im eigenen Haus“ entwickeln, sagt Dudenhöffer. Mit Fiat mache man sich dagegen gegenseitig Konkurrenz.
Magna würde außerdem zusammen mit Gaz den russischen Markt für Opel öffnen. Dort werden bis 2015 rund fünf Millionen Autos jährlich verkauft, schätzt Dudenhöffer. Zehn Prozent davon könnten an Opel gehen. Außerdem könnte Opel zusammen mit Magna Kleinmotoren bauen und dabei mit anderen Autofirmen zusammenarbeiten. Insgesamt prophezeit Dudenhöffer einem Konsortium aus Magna, Gaz und Opel langfristig einen Absatz „von bis zu fünf Millionen Pkw jährlich“.
Was das für die Opel-Jobs bedeutet. Ohne Stellenstreichungen geht ein Opel-Einstieg bei keinem der drei Interessenten ab. Auch Magna will europaweit 10.000 Jobs bei den Töchtern der US-Mutter General Motors kappen. Genau so viele will Fiat streichen. Aber: Magna denkt wohl vor allem an Stellenstreichungen außerhalb Deutschlands – etwa in Belgien oder Spanien. Die vier deutschen Opel-Werke sollen erhalten bleiben. Auch die Zentrale in Rüsselsheim bleibe bestehen, bestätigte Magna. Allerdings: Es triff offenbar das Werk in Bochum hart. Deswegen will NRW-Ministerpräsident Rüttgers nicht zustimmen. Dafür wollen die Österreicher fünf Milliarden Euro an Staatshilfen.
Wer das letzte Wort hat. Die Entscheidung, wer den Zuschlag bekommt, trifft letztlich General Motors. Über die Eigenständigkeit von Opel werde in den USA entschieden, machte auch die Bundesregierung am Freitag klar. Allerdings: GM und die US-Regierung dürften sicher dem Bewerber den Vorrang geben, den die Bundesregierung favorisiert – denn sie zahlt schließlich auch
Wie das Ganze noch scheitern könnte.Fatal für Opel wäre eine Insolvenz der US-Mutter. GM muss der US-Regierung bis 28. Mai ein schlüssiges Sanierungskonzept vorlegen. Schafft der Autobauer das nicht, droht die Pleite. Die Befürchtung des Opel-Betriebsrats dabei: Die Opel-Zulieferer könnten dann verstärkt Vorauskasse verlangen und Opel so in Zahlungsschwierigkeiten bringen. „Das wäre katastrophal für Opel“, meint Experte Dudenhöffer - auch, weil im Falle einer Insolvenz der Opel-Absatz aller Voraussicht nach dramatisch einbrechen werde. Das zeige das Beispiel Saab, so der Experte: Nachdem der schwedische Autobauer Insolvenz anmeldete, sank der Verkauf um mehr als 80 Prozent.
Die Opel-Beschäftigten kündigten gestern an: Sie wollen im Mai und Juni insgesamt auf das Gehalt von drei Tagen verzichten. Das soll eine Liquiditätsreserve schaffen. Im Gespräch ist auch ein Überbrückungskredit von Bund und Ländern für Opel von 1,5 Milliarden Euro. Fachmann Dudenhöffer plädiert dagegen für einen schnellen Einstieg des Staates bei Opel. Man könne sich jetzt „keinen Tag Verzögerung mehr erlauben".
aja
Info: Der Autobauer Magna
Magna geht auf eine Gründung des 76-jährigen Österreichers Frank Stronach zurück. Der gelernte Werkzeugmacher wanderte in den 50er Jahren nach Kanada aus und machte sich dort selbstständig. Anfang der 60er Jahre ging er mit General Motors einen Vertrag als Zulieferer ein. Magna ist heute einer der größten Autozulieferer der Welt mit 240 Produktionsstätten und mehr als 74.000 Beschäftigten weltweit.
Das Unternehmen mit Sitz im kanadischen Aurora entwickelt und produziert Teile für fast alle namhaften Autohersteller. Magna entwickelt und montiert aber auch komplette Fahrzeuge für andere Hersteller. So stellt die österreichische Tochterfirma Magna Steyr unter anderem die Mercedes G-Klasse, den BMW X3 sowie das Saab 9-3 Cabrio her.