Ohne Strahlkraft

Anekdoten statt Visionen: Schwarz-Gelb lässt Inhalte vermissen. AZ-Politikredakteur Markus Jox über das Gekeife zwischen Union und FDP.
von  Abendzeitung

Anekdoten statt Visionen: Schwarz-Gelb lässt Inhalte vermissen. AZ-Politikredakteur Markus Jox über das Gekeife zwischen Union und FDP.

Geht es nach vielen Umfragekünstlern und politischen Beobachtern, ist die Wahl längst entschieden: Nach dem 27. September, darin sind sich die Auguren einig, regiert eine schwarz-gelbe Koalition, darf Guido Westerwelle den Platz an der Seite Bundeskanzlerin Angela Merkel einnehmen. Doch abgesehen davon, dass Umfragewerte noch keine Stimmen sind und die SPD im Endspurt vielleicht doch noch ein paar Pfeile im Köcher hat, verweigern die Matadore die Antwort auf die entscheidende Frage: Was will Schwarz-Gelb überhaupt?

Stattdessen erzählt Merkel Anekdötchen aus ihrer Jugend, und Horst Seehofer erklärt, was er der FDP auf keinen Fall erlauben werde. Als Gerhard Schröder und Joschka Fischer sich 1998 daranmachten, ihr rot-grünes Projekt in konkrete Politik umsetzten, da öffneten sie die Fenster der verstaubten Kohl-Republik, setzten den Atomausstieg durch und modernisierten das Land durch gesellschaftspolitische Reformen wie die Homo-Ehe.

Das mögliche Bündnis von CDU, CSU und FDP lässt eine vergleichbare Strahlkraft vermissen – ganz zu schweigen von einer Vision: Glaubt jemand ernsthaft, dass sich die präsidiale Kanzlerin und der Sozialpopulist Seehofer in Krisenzeiten zu einer radikalen Steuerreform durchringen werden? Oder dass die Liberalen ausgerechnet mit Hardliner Schäuble und Internet-Sperrerin von der Leyen zur großen Bürgerrechts-Offensive blasen können?

Am Ende kommt Schwarz-Gelb möglicherweise nur als kleinstmögliches Übel an die Macht: Weil die Bürger der großen Koalition überdrüssig geworden sind – und weil sie Angst vor Rot-Rot-Grün haben.

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