Nur ein Fehler

Viele Menschen sehen weg, wenn ein Bub blaue Flecken hat - Arno Makowsky, Chefredakteur der AZ, über Eltern, die unter falschen Verdacht gerieten.
von  Abendzeitung
Zu viele Fälle von Kindesmisshandlung in Deutschland werden nicht aufgedeckt
Zu viele Fälle von Kindesmisshandlung in Deutschland werden nicht aufgedeckt © AP

Viele Menschen sehen weg, wenn ein Bub blaue Flecken hat - Arno Makowsky, Chefredakteur der AZ, über Eltern, die unter falschen Verdacht gerieten.

Ein Münchner Elternpaar gerät in den Verdacht, seine kleine Tochter misshandelt zu haben. Das Jugendamt nimmt den beiden das Kind weg. Eine Klinik bestätigt den Verdacht – bis sich schließlich vor Gericht herausstellt, dass Mutter und Vater völlig unschuldig sind. Vier Wochen lang durften die verzweifelten Eltern ihre Tochter nicht sehen.

Gerade wurde dieser Fall vor dem Landgericht München I verhandelt, und wer selbst Kinder hat, kann sich ungefähr vorstellen, was die Familie durchgemacht hat.

20 000 Euro Schmerzensgeld hat sie zugesprochen bekommen, das ist eher zu wenig. Es fällt leicht, die vermeintlich Schuldigen auszumachen: Eine übereifrige Mitarbeiterin des Jugendamts, die ein blaues Auge falsch interpretierte. Wohlmeinende Ärzte einer Münchner Kinderklinik, die den Verdacht vorschnell bestätigten. Und doch sollte man mit harscher Kritik vorsichtig sein.

In unserer Gesellschaft wird Kindesmisshandlung nicht zu oft grundlos angezeigt. Im Gegenteil, viele Menschen sehen weg, wenn ein Bub mit blauen Flecken im Aufzug des Wohnblocks steht, oder sie wollen nichts hören, wenn in der Wohnung nebenan regelmäßig ein Kind verzweifelt weint. Eine Watschn, eine saubere Tracht Prügel hat noch keinem geschadet – auch im Jahr 2009 gibt es Leute, die solche Sprüche ganz okay finden.

Im aktuellen Fall haben eine Behörde und eine Klinik einen Fehler gemacht. Sie haben Eltern falsch verdächtigt. Schlimmer wäre gewesen, sie hätten eine wirkliche Misshandlung übersehen.

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