Niedrigspannung in der E-Mobilität

In Berlin beschwören die Spitzen der Autobranche und Kanzlerin Merkel die Zukunft der Elektromobilität. Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Könnten Subventionen helfen?
Susanne Stephan |
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BERLIN Er schnurrt leise vor sich hin, bringt zuverlässig Leistung, ist freundlich zur Umwelt. Der Elektromotor, der Auto-Antrieb der Zukunft, brachte gestern wieder Bundeskanzlerin Angel Merkel zum Schwärmen, und mit ihr die Bosse der Pkw-Industrie. Sein einziger Schönheitsfehler: Es gibt ihn (fast) noch nicht, und daran wird sich auch so schnell nichts ändern.

Ganze 3438 Autos mit reinem Elektroantrieb oder mit einem stromgetriebenen Zusatzmotor, der übers Stromnetz aufgeladen werden kann, wurden 2012 in Deutschland verkauft. Zum Vergleich: Insgesamt wurden in Deutschland 2012 über drei Millionen Autos zugelassen, allein vom Golf/Jetta brachte VW 240700 Stück auf die Straße. Der Autokunde verweigert sich dem vielbeschworenen Trend zum Stromantrieb. Die Gründe sind simpel: Elektroautos sind teuer, ihre Reichweite ist je nach Modell begrenzt und es gibt viel zu wenig Ladestationen.

Das gilt weltweit: Erst vor kurzem ging das Unternehmen „Better Place“ pleite. Es war 2007 in Kalifornien vom Ex-SAP-Manager Shai Agassi gegründet worden und hatte 850 Millionen Dollar unter anderem von General Electric eingesammelt. Agassi wollte ein Netz von Ladestationen für E-Autos aufbauen – und scheiterte. Trotzdem drängt Merkel auf mehr Stromantriebe. Sie hat das Ziel von einer Million E-Autos auf deutschen Straßen bis 2020 ausgegeben.

Hart sind auch die Vorgaben, die aus Brüssel kommen. Im Jahr 2010 dürfen neue Pkw im Schnitt nur 95 Programm Kohlendioxid in die Atmosphäre pusten. Auf den Verbrauch eines Benziners umgerechnet wären das 3,9 Liter auf hundert Kilometer. Für die Spritfresser aus den Premiumschmieden in Stuttgart, München und Ingolstadt kaum zuschaffen – deswegen brauchen sie Elektromodelle, um den Schnitt zu senken.

Die Frage ist freilich, wie der Schnitt errechnet wird. Den deutschen Herstellern graut davor, ihre Sprit fressenden PS-Protze aussortieren zu müssen. Bisher betrug der durchschnittliche CO2-Ausstoß der Pkw in Deutschland 141,8 Gramm pro Kilometer. 

BMW: Der Münchner Autobauer verkauft unter anderem den „Active E“ und investiert Unsummen in seine neue Elektro-Serie. Ab Ende des Jahres soll das neue Carbonfahrzeug i3, das in Leipzig montiert wird, verkauft werden. Die Reichweite: 150 Kilomete. Wenn der konventionelle Antrieb dazugeschaltet wird, sind es auch mehr. Der i3 dürfte vor allem als Firmenwagen gebucht werden. Im nächsten Jahr kommt der i8 dazu, der wohl vor allem als Vorzeige-Sportwagen für Superreiche, Politiker und Funktionäre taugen wird.

Daimler: Den Smart fortwo gibt es serienmäßig als Elektroauto. Jetzt kommt auch noch der AMG SLS electric drive, ein Sportwagen für schlappe 416500 Euro. Im nächsten Jahr führt Daimler in den Vereinigten Staaten ihre Elektro-Version der B-Klasse vor.

Volkswagen: Der Hersteller setzt auf Plug-in-Hybride wie den A3 e-tron. Demnächst kommt der VW Up mit Elektroantrieb und der E-Golf. Auf die Entwicklungen von VW beziehungsweise Audi aufbauend sollen die verwandten Modelle von Skoda und Seat elektrifiziert werden.

Opel: Der „Ampera“ gehört zu den Pionieren der Elektromobilität. Sein Akku wird mittels eines kleinen Benzinmotors nachgeladen, der einen Generator antreibt. Dadurch steigt die Reichweite um 400 Kilometer. Das 111 kW/150 PS starke Auto kostet in der Basisvariante 45 900 Euro. Im vergangenen Jahr war er das meistverkaufte Elektroauto in Deutschland.

Zusammen mit ausländischen Herstellern wird es die deutsche Autoindustrie bis zum Jahr 2015 gerade mal schaffen, gut 200000 Elektro-Pkw auf die Straßen zu bringen, schätzen die Experten von Roland Berger. Das bringt die Planungen der Konzerne durcheinander. Sie haben Angst, dass Brüssel die wenigen E-Autos bei der Berechnung der CO2-Flottenverbräuche nicht ausreichend berücksichtigt.

Gestern signalisierte Bundeskanzlerin Angela Merkel Verständnis: Größere Autos seien der Innovationstreiber bei der Entwicklung in der Autoindustrie“, sagte sie. Diese „Wertschöpfungskette“ dürfe nicht kaputt gemacht werden. Zuvor hatte der Branchenverband gegen „überzogene“ Regulierungen gewettert.

Beflügelt vom Wohlwollen aus dem Kanzleramt forderte Daimler-Chef Dieter Zetsche jetzt Staatsknete. Notwendig sei eine „konsequente Förderpolitik“, sagte Zetsche gestern. Pläne, E-Autos besserzustellen, stecken derzeit im Vermittlungsausschuss fest, klagte er. Dabei geht es um einen „Nachteilsausgleich“. sun

 

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