Nicht nur die Belegschaft, auch MAN muss zurückstecken

Der Betriebsratschef zur Krise, kürzeren Arbeitszeiten und einer möglichen Fusion mit VW
AZ: Die Auftragslage bei MAN ist immer noch mehr als 60 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Wie ist die Stimmung in der Belegschaft?
WILLI DIENSTBIER: Zwiegespalten. Einerseits federn eine Reihe von Vereinbarungen zwischen Betriebsrat und Unternehmen die Auswirkungen der schlechten Auftragslage ab. Das sind vor allem der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis mindestens 2012 und die Aufzahlung des Kurzarbeitergeldes auf 90 Prozent des Nettolohnes. Hier zahlt sich aus, dass Betriebsrat und IG Metall bei MAN mit dem Management absolut auf Augenhöhe verhandeln und so zu pragmatischen Lösungen kommen. Andererseits haben viele Kollegen, die kurzarbeiten, schön langsam das Gefühl, jetzt langt’s. Sie wollen wieder wie früher in die Arbeit gehen und eine Perspektive für sich sehen.
Spätestens Anfang 2011 läuft die Kurzarbeit nach der jetzigen Gesetzeslage aus. Wie soll’s dann weitergehen?
Wir sind mit unseren Problemen ja nicht allein. Wir erwarten von der Regierung, dass sie ähnlich wie die große Koalition nach dem Grundsatz verfährt, es ist besser, Kurzarbeit zu ermöglichen, anstatt den Betroffenen Arbeitslosengeld zahlen zu müssen.
Also setzen Sie auf eine Verlängerung des Kurzarbeitergeldes – oder schließen Sie sich der Forderung nach einer staatlich geförderten Vier-Tage-Woche in Problembranchen an, die jetzt sogar vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall erhoben wird?
Mich amüsiert schon, dass ausgerechnet diejenigen, die die Arbeitszeitverkürzung immer verteufelt haben, jetzt diesen Vorschlag machen. Aber mit Sicherheit wird die Arbeitszeit eines der Themen sein, über die wir nächstes Jahr verhandeln werden.
Auf Dauer weniger zu arbeiten, wird für manche Beschäftigte schwierig sein.
Ich bin seit 32 Jahren bei MAN und habe noch nie so eine Krise mitgemacht wie jetzt. Unser Ziel muss sein, die Beschäftigung zu halten und einen Verdienst zu sichern, der für den Lebensunterhalt reicht. Dafür ist jeder bereit, ein kleines bisschen zurückzustecken, und das erwarten wir auch von der Firma. Die Nutzfahrzeuge haben in den letzten Jahren beträchtliche Summen an den Mutterkonzern MAN SE überwiesen. Jetzt sollte der Vorstand von MAN SE akzeptieren, dass die Nutzfahrzeuge einmal nicht der Hauptmotor des Konzerns sein können.
Die MAN SE ist ihrerseits nicht immer frei in ihren Entscheidungen. Großaktionär Volkswagen möchte sich MAN möglicherweise einverleiben. Wie sehen Sie das?
Wir haben eine 251-jährige eigenständige Tradition, die niemand gerne aufgeben möchte und auf die wir stolz sind. Andererseits: Wenn die Alternative lautet, von einer Heuschrecke oder VW geschluckt zu werden, dann wäre VW immer noch die bessere Alternative. Es kommt halt darauf an, zu welchen Bedingungen. Wir sind seit längerem deswegen mit dem VW-Betriebsrat in Kontakt. Int.: sun