Nadelöhr für Bewerber

Bei Assessment-Centern wird einzeln oder in der Gruppe getestet. Sie haben aber ihre Tücken
Viele Personalchefs vertrauen auf Assessment Center. Aber die kurz „AC“ genannte Methode hat auch ihre Tücken. Und mancher behauptet, sie habe ihren guten Ruf gar nicht verdient. Fest steht: Das AC hat eine eindrucksvolle Karriere hingelegt. Es ist oft das Nadelöhr, durch das Bewerber vom Azubi bis zum Top-Manager hindurch müssen.
„Populär sind Assessment Center in Deutschland seit den 80er Jahren“, sagt Alexander Böhne von der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) in Berlin. Dabei werden Bewerber entweder in der Gruppe beobachtet oder einzeln getestet. Häufiger ist das Gruppen-AC, da die Organisation relativ aufwendig ist.
„Ein AC dauert in der Regel einen Tag, manchmal sogar zwei.“ Nicht nur Top-Führungskräfte werden auf diesem Weg ausgewählt. „Es gibt sogar Mini-ACs für Azubis, Putzfrauen und Zimmermädchen“, sagt Karriereberater Jürgen Hesse. Ein gutes Assessment Center zeichnet sich laut Böhne durch praxisnahe Aufgaben aus – der Bewerber muss etwa ein Personalgespräch führen. Danach tauschen die Beobachter sich über ihre Bewertungen aus. Das hat den Vorteil, dass keine Einzelmeinung entscheidet und nicht nur Sympathie den Ausschlag gibt.
Mit der Popularisierung des Verfahrens seien die Regeln häufig aber verwässert worden, meint Prof. Heinz Schuler von der Universität Hohenheim. „Oft gibt es gar keine echten Arbeitsproben mehr, sondern nur noch arbeitsprobenartige Simulationen“, kritisiert der Experte für Personalpsychologie.
Die Folge: „Viele Einzelstudien zeigen, dass AC-Prognosen in den vergangenen 20Jahren schlechter geworden sind.“ Oft sparen die Auftraggeber an der Organisation eines AC. „Da kann sich dann jeder Praktikant ein Rollenspielchen ausdenken“, sagt Schuler. Häufig würden belanglose Tests durchgeführt, die mit wissenschaftlichem Anspruch nichts zu tun haben. Und auch als Beobachter würden oft diagnostische Laien eingesetzt.
Prof. Schuler hat aber auch prinzipielle Bedenken: Beim AC werde die Entscheidung für oder gegen einen Bewerber stark von punktuellen Eindrücken beeinflusst, die Beobachter von ihm bekommen: „Menschen finden das, was sie selbst gesehen haben, wichtiger als objektive Daten.“ Das könne das Bild eines Bewerbers verzerren.
Die Begeisterung für das Assessment Center als Allzweckwaffe der Personalauswahl gebe es heute deshalb so nicht mehr, bestätigt Alexander Böhne. Hinzu kommt laut Jürgen Hesse noch etwas: „Viele Bewerber bereiten sich heute auf das AC vor.“ Das heißt, die Beobachter sehen sie nicht mehr so, wie sie sind, sondern so, wie sie sich geben. Darauf haben die Psychologen wiederum reagiert. „Beide Seiten rüsten auf“, sagt Hesse.
„Manche Bewerber tauschen sich sogar vorher über Twitter oder Facebook aus, was sie bei den Unternehmen erwartet“, erzählt Böhne.
Das sei generell auch zu empfehlen. So lohne es sich zu fragen, was dabei geplant ist. „Einige Unternehmen halten sich da bedeckt, andere kommunizieren das ganz offen.“ Trotz aller ausgeklügelten Methoden liefert das AC keine hieb- und stichfeste Entscheidungshilfen. „Manchmal entscheiden sich die Beobachter schlicht für den Falschen“, räumt Jürgen Hesse ein. Kein Grund also für abgelehnte Bewerber, den Kopf hängen zu lassen.