Nachlass-Frust: Zoff ums Erbe - So fechten Sie das Testament an

München - Ein naher Angehöriger ist gestorben, jetzt wird sein Testament eröffnet. Mitunter fallen die Hinterbliebenen in solchen Situationen aus allen Wolken. Zum Beispiel dann, wenn einer oder mehrere wider Erwarten enterbt wurden, also leer ausgehen.
Oft erwägen Benachteiligte dann, das Testament anzufechten – mit dem Ziel, dass die letztwillige Verfügung unwirksam wird und der Nachlass neu aufgeteilt werden muss. Eine solche Testamentsanfechtung ist aber nicht immer möglich.
Hier alle Infos zum Anfechten eines Testaments:
Voraussetzungen zum Anfechten eines Testaments
"Der Erblasser muss verstorben, der konkrete Erbfall muss eingetreten sein", sagt Dietmar Kurze, Fachanwalt für Erbrecht. Zudem sind nur bestimmte Erben berechtigt, ein Testament anzufechten – und zwar solche, die aus der Anfechtung einen Vorteil ziehen.
Ein Beispiel: Setzt ein Witwer seine Pflegerin als Alleinerbin ein und lässt seine leiblichen Kinder leer ausgehen, dann könnten rein theoretisch die Kinder das Testament anfechten. Denn sie wären es, die profitieren würden, sollte der letzte Wille ihres Vaters für unwirksam erklärt werden.
Diejenigen, die ein Testament anfechten, müssen zwingend einen guten Grund dafür vorbringen können. "Es reicht zum Beispiel nicht, zu sagen, der Erblasser war zu dem Zeitpunkt, als er sein Testament abfasste, dement", sagt Anton Steiner, Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht. Die Diagnose Demenz ist juristisch kein Anfechtungsgrund. Vielmehr muss die Demenz so stark ausgeprägt sein, dass der Erblasser testierunfähig war.
Unter welchen Bedingungen ist eine Person testierunfähig?
"Testierunfähig ist eine Person, wenn sie wegen einer krankhaften Störung ihrer Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen einer Bewusstseinsstörung nicht mehr in der Lage ist, die Bedeutung eines Testaments zu erkennen", erklärt Michael Sittig von der Stiftung Warentest. Das Testament einer testierunfähigen Person ist unwirksam. "Das gilt auch dann, wenn der letzte Wille von einem Notar beurkundet wurde", sagt Sittig.
Allerdings gelingt laut Anwalt Kurze in der Praxis der Nachweis, dass jemand testierunfähig war, selten. Denn auch wenn jemand dement war, kann er in einem lichten Moment ein rechtswirksames Testament abgefasst haben. Aussagen in Krankenakten oder Schilderungen von Zeugen wie zum Beispiel Pflegern müssten plausibel belegen, dass jemand testierunfähig war.
Testier-Unfähigkeit: Ein Gutachten kann helfen
Leidet jemand an Demenz im Anfangsstadium, ist es oft sinnvoll, sich von einem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie auf Testierfähigkeit hin begutachten zu lassen und dieses Gutachten dem Notar zu präsentieren. "Hilfreich können auch Handyvideos vom Erblasser sein, die dessen geistige Fitness zeigen", rät Sittig.
Das steckt hinter dem "Pflichtteil" eines Erbes
Aber was sind dann Gründe für eine Testamentsanfechtung? Einer davon: Der Erblasser hat einen Pflichtteilsberechtigten übergangen, von dessen Existenz er nichts wusste. Das kann zum Beispiel ein uneheliches Kind sein.
Zu den Pflichtteilsberechtigten zählen enge Angehörige – das sind Kinder, Ehepartner und bei kinderlosen Erblassern die Eltern des Erblassers. Sie haben einen Anspruch auf den Pflichtteil eines Nachlasses, auch wenn sie ansonsten enterbt sind. Nicht zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehören Geschwister.
Ebenfalls ein Grund zum Anfechten: Irrtum oder Drohung
Dietmar Kurze sagt: "Möglich ist eine Anfechtung auch im Fall eines Irrtums oder einer Drohung zu dem Zeitpunkt, als ein Erblasser sein Testament abfasste."
Ein Irrtum liegt etwa vor, wenn es im Testament sinngemäß heißt: "Weil mein Sohn ein Geigenvirtuose ist, bekommt er meine Stradivari" – der Sohn in Wahrheit aber vom Geigespielen keine Ahnung hat. Auch ein Inhalts- oder Erklärungsirrtum kann Grund für eine Testamentsanfechtung sein, also wenn sich der Erblasser zum Beispiel verschrieben oder Namen verwechselt hat.

Die Gier des Menschen zeigt sich vor allem beim Streit ums Erbe. (Illustration: Imago)
Ebenfalls angefochten werden kann ein Testament bei einer Täuschung oder einer Drohung. Hier hat der Erblasser seinen letzten Willen geschrieben, während ihm etwa eine Pistole an den Kopf gehalten oder ihm eingeredet wurde, ohne ein Testament zugunsten einer bestimmten Person werde er nicht länger gepflegt.
Nicht verschlafen: Zum Anfechten eines Testaments gibt es eine Frist
Wer ein Testament anfechten will, muss dies innerhalb eines Jahres nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes tun. "Dafür muss man eine Erklärung beim Nachlassgericht abgeben", sagt Kurze. Das Gericht prüft diese. Die Anfechtung wird öffentlich, sobald jemand einen Erbschein beantragt. Wurde vor Abgabe der Erklärung ein Erbschein erteilt, prüft das Gericht, ob der Schein zu Unrecht erteilt wurde und eingezogen werden muss.
So lange dauert ein Erbverfahren
Wie lange es dauert, ist unterschiedlich. "Das kann sich über ein bis zwei Jahre hinziehen, auch darüber hinaus", sagt Steiner. Wer ein möglichst unangreifbares Testament verfassen möchte, sollte zum Notar gehen. Das senkt das Risiko von Einflussnahme und Fälschungen.
Plötzlich Erbe: Das müssen sie nach einem Todesfall unternehmen
Der Tod eines nahestehenden Menschen ist oft ein schwerer Schlag. Es fällt in der Trauer nicht leicht, klaren Kopf zu bewahren – auch für Erben. Ein Überblick:
Testament: Es empfiehlt sich, gleich mit der Suche nach dem Testament zu beginnen, denn es könnten Hinweise enthalten sein, wie und wo der Verstorbene bestattet werden möchte.
Taucht ein Testament auf, muss es beim örtlichen Nachlassgericht abgeliefert werden. Liegt das Testament bereits beim Notar oder Amtsgericht, geht alles automatisch seinen Weg. Die Erben werden benachrichtigt.
Ein mögliches Problem: "Angehörige, die im Testament nicht gut wegkommen, könnten es verschwinden lassen", sagt Dominik Hüren von der Bundesnotarkammer. "Der letzte Wille sollte daher stets hinterlegt sein."
So läuft die Erbfolge
Erbschaft: Ohne Testament greift die gesetzliche Erbfolge. Danach erben neben dem Ehepartner immer die nächsten Blutsverwandten.
Zunächst sind das die Erben 1. Grades, also die Kinder. Meist müssen sich die Kinder den Nachlass mit dem überlebenden Ehegatten teilen.
Wichtig: Wer erben will, muss auch die Schulden übernehmen, etwa die Hypothek auf ein Haus.
Ausschlagung: Wer das Erbe nicht antreten will, kann es ausschlagen. Das geschieht zur Niederschrift beim Nachlassgericht oder durch ein formloses notariell beglaubigtes Schreiben. Es gilt eine Frist von sechs Wochen nach dem Tod des Erblassers.
Erbschein: Wer das Erbe annimmt, sollte sich diesen beim Nachlassgericht besorgen. Der Schein ist nötig, um etwa ein Grundstück oder ein Konto umschreiben zu lassen.
Obacht: Wer einen Erbschein beantragt, kann das Erbe nicht mehr ausschlagen.
Erbschaftssteuer: Wer etwas geerbt hat, muss das innerhalb von drei Monaten dem Finanzamt schriftlich anzeigen. Sind Vermögen oder Erträge noch nicht versteuert worden, ist der Erbe verpflichtet, eine Nacherklärung abzugeben. Sonst kann er selbst schnell in den Verdacht einer versuchten Steuerhinterziehung geraten.

Beim Erbe will natürlich auch der Staat abkassieren. (Foto: dpa)
Lebensversicherungspolice: Nach einem Todesfall sollte auf die Police für die Lebensversicherung genauso sorgsam geachtet werden wie auf das Testament. "Der Versicherungsschein ist so gut wie bares Geld. Wer ihn in die Finger kriegt, kann sich alles auszahlen lassen", sagt Guido Lenne, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht.
Das ist im Kleingedruckten geregelt. "Die Versicherung darf somit an eine nicht berechtigte Person Leistungen erbringen – es sei denn, sie hat die fehlende Berechtigung gekannt oder fahrlässig übersehen."
Eine weitere Falle: veraltete "Bezugsberechtigungen". Beispiel: Auch nach einer Scheidung bleibt eine Bezugsberechtigung bestehen, wenn sie nicht widerrufen wird. So kann es passieren, dass die Ex-Frau noch vom Tod profitiert. Deshalb: Regelmäßig überprüfen, ob die Bezugsberechtigung noch den Wünschen entspricht.
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