Münchner Biertradition? "Es zählt nur noch Cash"

Die Münchner Brauereien sind in Bedrängnis: Global Player wollen Riesen-Gewinne, dafür sparen sie am Standort Deutschland. Das verändert womöglich auch das Oktoberfest.
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Die Münchner Brauereien sind in Bedrängnis: Global Player wollen Riesen-Gewinne, dafür sparen sie am Standort Deutschland. Das verändert womöglich auch das Oktoberfest.

m Lonely Planet über München, Pflichtlektüre des polyglotten Reisenden, steht es noch: „Munich is the beer capital of the world!“, München ist die Bierhauptstadt der Welt. Das Bier ist größer als woanders, besser sowieso. Und die vielen Sorten kann man alle at the traditional oktoberfest auf einer riesigen Bierwiese genießen. Doch nur noch zwei Münchner Biere sind unabhängig, die Hauptstadt ist in der Welt der Global Player ins Taumeln geraten.

Gebangt wird zurzeit vor allem in der Münchner Marsstraße. Spaten-Löwenbräu und Franziskaner sind da zu Hause, das Sagen haben Brasilianer. 2003 verkaufte Spaten- Löwenbräu-Chef Jobst Kayser- Eichberg an die belgische Interbrew, inzwischen gehören die drei Biere zur größten Brauereigruppe der Welt: Zur brasilianisch-amerikanischbelgischen Anheuser-Busch Inbev (AB Inbev). Großinvestoren werden astronomische Renditen versprochen, Absatzmarkt ist neben Nord-und Südamerika auch China.

Fast 400 Stellen sollen gestrichen werden

In Europa will AB Inbev jetzt jede zehnte Stelle streichen. In Deutschland, wo unter anderem Beck’s, Diebels und Hasseröder hergestellt werden, trifft es sogar jede achte, fast 400 Jobs.

Besonders bluten wird Bremen, in München sollen 32 Stellen gestrichen werden. Die Angst geht um, dass das nicht reicht. „Die gesamte Region Westeuropa könnte ausgelutscht werden. Selbst in die besten Marken wird nur das allernötigste investiert“, schreibt das Branchenblatt „Inside“. Interessant sind Asien und Amerika.

Bei uns strafft der Konzern. Fast schon satirische Qualität hat der Plan, dass die Wirte nicht mehr persönlich betreut werden sollen, sondern per Callcenter. Bei Spaten schütteln sie die Köpfe: „Das möcht’ ich sehen, wie die mit einem bayerischen Wirt per Telefon aus Bremen verhandeln“, sagt einer.

Erfolgreiche deutsche Marken sind für Inbev nur Beck’s, Hasseröder und Franziskaner. „An Spaten-Löwenbräu hat Inbev kein Interesse“, sagt Freddy Adjan von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Spaten ist regional begrenzt, hatte im Jahr 2009 ein Ausstoß-Minus von 13 Prozent. Auch Löwenbräu verlor zweistellig und hat im Export längst nicht mehr den früheren Stellenwert.

Dabei war eigentlich geplant, dass Inbev in den Standort München investiert: Das Brauereigrundstück gehört immer noch Ex-Spatenchef Jobst Kayser-Eichberg, er verpachtet es an AB Inbev. 2003 kündigten die Belgier an, sie bräuchten eine größere Brauerei. Kayser-Eichberg sollte einen Grund suchen, auf dem der Konzern bauen könne. Das hat er getan: In Langwied entwickelt er mit seiner Immobilienfirma ein Grundstück.

Dem Bezirksausschuss hat er angekündigt, dass dort ab 2015 Bier fließen könnte. Aber nur, wenn AB Inbev baut, also investiert, rund 200 Millionen. Bei Spaten-Löwenbräu laufen intern schon Wetten dagegen. „Inbev hat keinerlei Bindung an München“, sagt Freddy Adjan. „Tradition zählt da nicht – da zählt nur Cash“.

Und genau das könnte das Oktoberfest verändern. Dort darf nur Münchner Bier ausgeschenkt werden. Langwied wäre innerhalb der Stadtgrenzen. Allerdings hätte der Konzern auch in anderen deutschen Standorten Kapazitäten. Und für die Renditejäger ist die Wiesn unsinnige Folklore. „Natürlich fürchten wir, dass die sagen: Das muss man ja nicht in München brauen“, heißt es in der Marsstraße.

Der Wiesn-Umsatz interessiert den Weltkonzern nicht

Fünf Zelte müssten sich statt Löwenbräu und Spaten dann anderes Bier besorgen. „Aktuell“, so beschwichtigt man bei Inbev Deutschland, hätten die Pläne „keinerlei Einfluss auf das Oktoberfest.“ Und was Langwied angeht, laufe „der Entscheidungsvorgang“. InWahrheit dürften allerdings die Deutschen keinerlei Einfluss auf diese Entscheidungsvorgänge haben. Wie viel AB Inbev der Standort München Wert ist, wird sich spätestens 2017 zeigen: Dann erhöht sich die Pacht, die Inbev an Kayser-Eichberg zahlen muss, immens.

Gibt’s dann eine Wiesn ohne Spaten? Da hoffen manche auf die Paulaner-Besitzerin Alexandra Schörghuber. Zwar spart auch sie – die Zentralisierung des Vertriebs von Hacker und Paulaner wird wohl 35 Arbeitsplätze kosten.

Aber die Brau-Holding International, die ihr zur Hälfte gehört, hat Sinn für regionale Marken (Kulmbacher, Fürstenberg). Und Alexandra Schörghuber hat sich einen in ihr Entscheidungsgremium geholt, der sich auskennt mit Bier: Jobst Kayser-Eichberg. Sollten Spaten und Löwenbräu je abgestoßen werden, wäre das für die beiden sicher attraktiv. Doch bis dahin fließen wohl noch einige Wiesnbiere die Kehlen runter, alle in der beercapital gebraut.

Tina Angerer

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