Mittelständler „verhungern“ am langen Arm der Banken
Der Verband geht mit den Kreditinstituten ins Gericht. Trotz staatlicher Absicherung fließt kaum Geld an die Firmen, heißt es. Milliarden für Konzerne halten Unternehmer für „Riesenquatsch“
MÜNCHEN Ein Skischuh, der Maßstäbe setzt: Er bricht mit dem Jahrzehnte alten Dogma der Hartschale, ist im Fersenbereich vergleichsweise flexibel – perfekt fürs Carven. „Er lässt sich fahren wie ein Joystick“, schwärmt Heinrich Pollert. Prompt gewann die Neuentwicklung, die unter der Regie von Pollerts Firma Patentpool realisiert wurde, einen Sportartikel-Oscar.
Patentpool sucht für Neuentwicklungen findiger Tüftler Geldgeber und industrielle Partner. Die Lizenz für den Skischuh verkaufte Pollert an einen namhaften Sportartikel-Hersteller. Jetzt müssten eigentlich Vertriebsmannschaften ausschwärmen, um den technischen Erfolg in bare Münze zu verwandeln. Doch wegen der Finanzkrise fehlt dem Hersteller für eine breite Marketingkampagne das Geld – frustrierend für Pollert.
Wie unzählige andere Mittelständler bekommt seine Firma die Krise zu spüren. Und anders als Opel oder die HRE hat Patentpool keine Aussicht auf auf Milliardenhilfen, wie sie Banken oder Opel kassieren.
Immerhin: Pollert kann der Krise auch gute Seiten abgewinnen. Energiesparen wird immer wichtiger. Mit einem Hightech-Keramikbauteil für Heizkessel, für das er einen französischen Hersteller gewinnen konnte, profitiert Pollert vom Zwang zur Energie-Effizienz. Ähnliches Glück fehlt Manfred Hermann, dem Geschäftsführer des fränkischen Filterherstellers JVK.
Die Verweigerungshaltung der Banken ist Gift für die Konjunktur
„Unsere Aufträge sind gegenüber 2008 um 50 Prozent eingebrochen“, berichtet er. Schon wurde die Belegschaft des Familienunternehmens von 190 auf 150 Stellen zusammengestrichen. Wenn sich nichts ändert, stehen betriebsbedingte Kündigungen an. Vom Konjunkturprogramm spürt Hermann nichts, berichtet er. Die öffentlich abgesicherten Kredite würden von den Banken „gerne verschwiegen“ – Gift für seine Kunden, Gift für die Konjunktur.
Die Banken mauern, wenn es darum geht, Mittel der Kreditanstalt für Wiederaufbau an Firmen weiterzureichen – diesen Umstand beklagt auch Mittelstandpräsident Mario Ohoven. Auf ihrer Jahrestagung in Nürnberg wollen die Mittelständler jetzt über die Geschäftspraktiken der Geldhäuser sprechen. Für 38,4 Prozent der Mittelständler hätten sich „die Kreditkonditionen spürbar verschlechtert“, sagt Ohoven. „Was nichts anderes bedeutet, als dass die Banken über den Hebel von Sicherheiten und Risikoaufschlägen Kredit suchende Klein- und Mittelbetriebe am ausgestreckten Arm verhungern lassen.“ Dabei beschäftigt der Mittelstand zwei Drittel aller Arbeitnehmer in Deutschland, hätte also im Sinn einer vorausschauenden Arbeitsmarktpolitik jede Unterstützung verdient.
„Die Banken sitzen wieder am Spieltisch, anstatt sich um die Unternehmensfinanzierung zu kümmern“, urteilt Christian Göttsch, Chef des Münchner Internet-Stellenmarkts Experteer, mit Blick auf die Börsengewinne der letzten Wochen. Wie viele andere Mittelständler hält Göttsch Staatshilfen für strauchelnde Unternehmen wie Quelle für einen „Riesenquatsch“. Besser wäre es aus seiner Sicht, den Ex-Chef der Quelle-Mutter Arcandor Thomas Middelhoff für die Schieflage des Konzerns „zur Kasse zu bitten, schon aus Gerechtigkeitsgründen“.
Göttsch selbst sieht sich mit seinem Portal, das Führungskräfte vermittelt, „im Auge des Sturms“ – auch wenn seine Umsätze trotz der Krise wachsen. Die Zahl der offenen Stellen für Manager sei allerdings um rund ein Viertel geschrumpft, berichtet er. Und die Arbeitgeber würden keine „Schönwetterkapitäne“ mehr suchen – eher erfahrene Sanierer. sun