Mini-Inflation setzt EZB unter Druck: Was heißt das?

Die niedrige Inflation im Euroraum setzt Europas Währungshüter erneut unter Druck. Dennoch erwarten die meisten Beobachter bei der Ratssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) keine weitere Zinssenkung.
von  dpa

Die niedrige Inflation im Euroraum setzt Europas Währungshüter erneut unter Druck. Dennoch erwarten die meisten Beobachter bei der Ratssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) keine weitere Zinssenkung unter das Rekordtief von 0,25 Prozent.

Frankfurt/Main - Auch gegen den hohen Eurokurs, der die Exporteure belastet und die Inflation zusätzlich nach unten drückt, dürfte EZB-Präsident Mario Draghi nur verbal ankämpfen. Ökonom Marco Valli von der Unicredit sagte: "Wir erwarten, dass die EZB alles beim Alten belässt." Allerdings hat Draghi die Märkte schon mehrfach überrascht - etwa bei der jüngsten Leitzinssenkung im November 2013.

Im März war die Inflation im Euroraum auf 0,5 Prozent gesunken. Die Jahresteuerung war damit so gering wie seit vier Jahren nicht mehr. Die EZB strebt eine Rate von knapp zwei Prozent an.

Was spricht für ein Eingreifen der EZB?

Die Inflation im Euroraum sank im März auf 0,5 Prozent und damit auf den tiefsten Stand seit November 2009. Der Wert ist weit entfernt von der Zielmarke der EZB. Die Notenbank strebt ein stabiles Preisniveau bei Teuerungsraten von knapp unter 2,0 Prozent an. In Deutschland lag der Preisauftrieb zuletzt ebenfalls deutlich unter diesem Niveau: im März sank die jährliche Teuerungsrate auf 1,0 Prozent. Das ist das niedrigste Niveau seit August 2010. Die Entwicklung erhöht den Druck auf die EZB, die Zinsen niedrig zu halten oder noch unter das Rekordtief von 0,25 Prozent zu senken. EZB-Präsident Mario Draghi hatte betont, die Notenbank werde sich notfalls entschieden gegen einen Preisverfall stemmen.

Warum sind sinkende Preise schlecht?

Für Verbraucher sind sinkende Preise zunächst erfreulich, schließlich bekommt man mehr für sein Geld, kann günstiger tanken oder verreisen. Die Gefahr ist, dass eine Abwärtsspirale in Gang kommen könnte, wenn die Preise quer durch alle Warengruppen verfallen. Ökonomen nennen das Deflation. Unternehmen und Verbraucher könnten dann Investitionen hinauszögern - in der Erwartung, dass es in den nächsten Monaten noch günstiger für sie wird. Das könnte die ohnehin noch fragile Erholung der Konjunktur in Europa abwürgen. Der Bankenverband BdB erklärt: "Das Ergebnis einer Deflation wären also steigende Arbeitslosigkeit und hohe Defizite in den öffentlichen Haushalten. Dies würde über indirekte Effekte auch die Sparer treffen."

Wie real ist die Deflations-Gefahr?

"Eine handfeste Deflation ist in der Eurozone eine sehr weit entfernte Gefahr", meint Berenberg-Volkswirt Christian Schulz. Das betont auch regelmäßig das EZB-Spitzenpersonal. Notenbank-Präsident Draghi erklärte bei der letzten Sitzung des EZB-Rates vor einem Monat, die moderate Erholung der Konjunktur im Euroraum schreite voran. Das dürfte den Preisauftrieb stärken. Bundesbankpräsident Jens Weidmann hatte Mitte März erklärt, er halte die Risiken von Preis- und Lohnrückgängen auf breiter Front im Euroraum für sehr begrenzt: "Gegen ein solches Szenario spricht, das ungefähr zwei Drittel der gegenwärtigen Rückgangs der Inflationsrate auf die Preisentwicklung von Energie und unverarbeiteten Lebensmitteln zurückzuführen ist."

Was kann die EZB tun?

Bei den Zinsen hat die EZB den Boden fast erreicht. Mit einem Leitzins von 0,25 Prozent ist Zentralbankgeld für die Banken im Euroraum bereits extrem günstig. Ob eine weitere Zinssenkung die Geldinstitute dazu bewegen würde, mehr Kredite zu vergeben und so die Wirtschaft anzukurbeln, ist umstritten. Denkbar wäre, dass die EZB den Zins für Geld, das Geschäftsbanken bei der Notenbank parken, unter Null senkt. Dann müssten Banken quasi Strafzinsen zahlen, wenn sie Geld von der EZB aufbewahren lassen, anstatt es in Form von Krediten an Unternehmen und Verbraucher weiterzureichen. Theoretisch möglich wäre auch, dass die EZB in großem Stil Staatsanleihen aufkauft, wie es die Notenbanken Amerikas, Japans oder Großbritanniens bereits tun.

Bringen noch niedrigere Zinsen überhaupt etwas?

Theoretisch animiert das billige Geld Unternehmen zum Investieren und Verbraucher zum Konsumieren - beides kurbelt die Konjunktur an und erhöht so den Preisauftrieb. Doch gerade in den kriselnden Eurostaaten in Südeuropa blieb die Kreditvergabe zuletzt schwach. Nach Einschätzung des Bundesverbandes Deutscher Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) kann die EZB mit noch billigerem Geld dagegen so gut wie nichts ausrichten: "Die rückläufige Kreditvergabe in einigen Ländern ist das Ergebnis struktureller Probleme in Form von hohen Schuldenständen bei vielen Unternehmen und privaten Haushalten, aber auch des noch geschwächten Bankensektors in Südeuropa."

Wie wahrscheinlich sind weitere Schritte der Währungshüter?

Die Mehrheit der Volkswirte rechnet damit, dass es die Währungshüter trotz der niedrigen Inflation zunächst bei verbalem Eingreifen belassen werden. "Wir erwarten, dass die EZB alles beim Alten belässt", schreibt Unicredit-Ökonom Marco Valli. Auch die Ökonomen der Commerzbank halten eine Zinssenkung für "wenig wahrscheinlich", schließlich werde die Inflationsrate im Euroraum schon im April wieder auf knapp ein Prozent steigen - unter anderem weil Ostern in diesem Jahr relativ spät liegt und die Preise für Pauschalreisen im April daher stärker steigen dürften als im Vorjahr.

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