Mindestlohn: Jobmotor oder Bürokratielawine?

München - Die einen nennen es Erfolgsgeschichte, die anderen Bürokratielawine: Ein Jahr nach Einführung des flächendeckenden Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde geht die Zwischenbilanz von Gewerkschaften und Wirtschaft weit auseinander.
Die Bundesregierung hatte den flächendeckenden Mindestlohn im Januar eingeführt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in Bayern macht ihn für weniger Arbeitslose und höhere Löhne verantwortlich. Die Konsumlaune sei besser gewesen, auch weil Geringverdiener jetzt mehr Geld hätten, sagte DGB-Landeschef Matthias Jena am Freitag in München. Viele Minijobs seien zu regulären Stellen zusammengelegt worden, im September habe es in Bayern 140 000 sozialversicherungspflichtige Jobs mehr gegeben als im Vorjahr. Die Zahl der offenen Stellen habe ein Höchstmaß erreicht.
"Der Mindestlohn ist falsch. Er schafft zusätzliche Bürokratie und vernichtet Beschäftigungschancen", sagte dagegen Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose hätten schlechtere Chancen auf eine Stelle. Viele Unternehmen böten keine Praktikumsplätze mehr an, weil sie Praktikanten den Mindestlohn zahlen müssten. Firmen müssten von Subunternehmen nicht nur Freistellungs- und Verpflichtungserklärungen einholen, dass auch sie den Mindestlohn zahlen, sondern sogar dafür haften.