Mindestlohn-Gefeilsche

Mindestlohn? Nein danke. Die seit Anfang des Jahres geltende Lohnuntergrenze für Briefträger begeistert außer der Post kaum ein Unternehmen der Logistikbranche.
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Sie erhalten mindestens 9,80 Euro pro Stunde: Zustellerinnen der Post. Deren Konkurrenten bangen ums Überleben oder sind schon pleite.
ap Sie erhalten mindestens 9,80 Euro pro Stunde: Zustellerinnen der Post. Deren Konkurrenten bangen ums Überleben oder sind schon pleite.

MÜNCHEN/AUGSBURG - Mindestlohn? Nein danke. Die seit Anfang des Jahres geltende Lohnuntergrenze für Briefträger begeistert außer der Post kaum ein Unternehmen der Logistikbranche.

Zum Teil suchen die Arbeitgeber fieberhaft nach einer Hintertür. Der süddeutsche Anbieter Oberbayern Mail weigere sich bislang, seinen Beschäftigten das erforderliche Minimum zu zahlen, berichten Mitarbeiter und Gewerkschaft.

„Ich bekomme pro Brief, den ich zustelle, fünf oder acht Cent“, berichtet ein Oberbayern-Mail-Zusteller aus dem Münchner Umland. Unter dem Strich verdiene er pro Stunde rund 6,70 Euro – kein üppiges Salär für eine anstrengende Arbeit. Auch seine Kollegen seien unzufrieden über die Bezahlung, hätten schon wiederholt bei der Geschäftsführung eine Besserung verlangt – ohne Erfolg. Der seit Januar gültige Mindestlohn für Briefzusteller beträgt in Westdeutschland 9,80 Euro brutto.

Eigenes Lohnmodell soll Fortbestand der Firma sichern

Anfrage bei Oberbayern Mail: Warum so wenig gezahlt werde? Geschäftsführer Jürgen Baldewein verweist in einer komplizierten schriftlichen Stellungnahme auf ein Urteil gegen den Mindestlohn: „Obwohl das Verwaltungsgericht Berlin Anfang März dieses Jahres die Allgemeinverbindlichkeitserklärung des Postmindestlohntarifvertrags mit 9,80 Euro gekippt hat, hat sich die Geschäftsführung der Oberbayern Mail trotzdem dafür entschieden, ab April diesen Postmindestlohn auf Basis der Normalleistung sicherzustellen." Man versuche, mit einem eigenen Lohnmodell den Fortbestand der Firma zu sichern, nachdem etliche Post-Konkurrenten wegen des Mindestlohns pleite gegangen sind.

Für Ulrike Oestreich von der Gewerkschaft Verdi sind diese Äußerungen einfach nur „Quatsch“. Das Bundesarbeitsministerium habe gegen das Berliner Urteil Berufung eingelegt, sagt sie. Deshalb sei der Mindestlohn immer noch ohne Wenn und Aber für alle Firmen der Post-Branche verpflichtend – also auch für Oberbayern Mail. Doch "das Unternehmen hat nach einem ersten Gespräch den Kontakt zu Verdi abgebrochen“, klagt Oestreich.

Um die Lohnerhöhung gebracht

Zudem wolle die Firma die Beschäftigten über den Tisch ziehen. Zurzeit zahle sie pro Brief, so Oestreich. „Seit 2007 hat sich das Briefaufkommen deutlich erhöht. Deswegen plant das Unternehmen jetzt, die Bezahlung rückwirkend auf einen Stundenlohn umzustellen. Dadurch würden die Zusteller um ihre verdienten Lohnerhöhungen gebracht.“

Die Konsequenz?„Das sehen wir uns noch ein paar Tage an, dann benachrichtigen wir den Zoll“, sagt Oestreich – der ist für die Überwachung der Lohnstandards zuständig.

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