Mexiko: Audi eröffnet Werk mitten im Nirgendwo

Im mexikanischen San José Chiapa ist in nur drei Jahren eine milliardenteure Fabrik des Ingolstädter Autobauers entstanden.
von  Ralf Müller
Das Werk in San José Chiapa liegt 2400 Meter über dem Meeresspiegel.
Das Werk in San José Chiapa liegt 2400 Meter über dem Meeresspiegel. © Audi/dpa

Im mexikanischen San José Chiapa ist in nur drei Jahren eine milliardenteure Fabrik des Ingolstädter Autobauers entstanden

Mexiko-Stadt - Rafael Morenjo Valle ist ein ehrgeiziger, aber auch umstrittener konservativer Politiker. Als Gouverneur des mexikanischen Bundesstaats Puebla genügt es ihm nicht, ein leuchtendes Riesenrad à la „London Millenium Wheel“ in der gleichnamigen Hauptstadt als Denkmal zu hinterlassen. Dieser Tage feierte Morenjo Valle einen Jahrhunderterfolg: In seinem Bundesstaat steht das modernste Automobilwerk auf amerikanischem Boden. Und das erste mit Premium-Anspruch.

In Wolfsburg und Ingolstadt konnte der 48-jährige „Governador“ die VW- und Audi-Chefs davon überzeugen, das geplante neue Werk im „Nowhere“, etwa 60 Kilometer von der Provinzhauptstadt entfernt, zu errichten. Als Audi-Chef Rupert Stadler zum ersten Mal im Hubschrauber über das für die Fabrik angebotene Territorium 2400 Meter über dem Meeresspiegel flog, habe er nach eigenen Angaben gefragt: „Wann kommt denn da was?“ „Und es kam auch nix“, flachste der Audi-Chef jetzt am Rande der Werkseröffnungsfeier.

Das hat sich massiv geändert: Wie ein riesiges Raumschiff fläzt sich heute eine in dezentem Audi-Grau gehaltene Fabrik breit über 200 Hektar des Landstrichs, der noch vor dreieinhalb Jahren eine staubige Ödnis war. Es entstand eine für örtliche Verhältnisse schicke Zubringer-Schnellstraße, ein Schienenstrang, ein beachtlicher Zuliefererpark, ein Trainingszentrum und eine Klinik. Die nur drei Jahre, in der das Eine-Milliarde-Euro-Werk aus dem Boden gestampft wurde, gelten als rekordverdächtig.

Morenjo Valle platzte fast vor Stolz. Zwar endet seine Amtszeit nächstes Jahr, aber er greift nach dem Präsidentenamt. Da zeugen 4200 gut bezahlte hoch qualifizierte neue Jobs im Audi-Werk Mexiko (3300 sind es zur Zeit) und weitere 15 000 neue Arbeitsplätze im Umfeld von Macherqualitäten.

Seit 1967 werden in Puebla VW produziert, zunächst – wie sollte es anders sein – der Beetle, der auch heute noch in einer drastisch modernisierten Version die Bänder verlässt. Wie dramatisch sich die Zeiten verändert haben, zeigt ein Vergleich: 1967 schraubten etwas mehr als 5000 VW-Werker im Jahr 17 000 Käfer zusammen, ab Frühsommer 2017 werden in San José Chiapa 4200 Audi-Mitarbeiter pro Jahr 150 000 Einheiten des Kompakt-SUV Q5 herstellen.

150 000 Q5 sollen hier jährlich vom Band laufen.

In Mexiko gibt’s acht bis zehn statt 45 bis 50 Euro pro Stunde

Während in den 60er Jahren noch der Meister notfalls mit dem Hammer nachhalf, wachen heute zwei Dutzend Mitarbeiter in einem „Leitstand“ über die Produktion. Über Sensoren und Bildschirme haben sie jedes einzelne Fahrzeug und jede Teilelieferung im Visier und merken sofort, wenn irgendetwas aus dem Ruder zu laufen droht.

Doch warum baut Audi mit einem Investitionsaufwand von mehr als einer Milliarde Euro eine Fabrik im Nirgendwo fast 10 000 Kilometer von Deutschland entfernt? Ganz einfach: Während eine Arbeitsstunde in Deutschland mit zwischen 45 und 50 Euro zu Buche schlägt, unterbieten die mexikanischen Automobilarbeiterlöhne mit acht bis zehn Euro sogar die chinesischen.

Außerdem unterhält Mexiko eine rekordverdächtige Zahl an Freihandelsabkommen, besonders zu den Absatzmärkten in Nord- und Südamerika. Bei Grundstück und Erschließung, darf man vermuten, ist der Governador den Audianer erheblich entgegen gekommen. Die Technische Universität Puebla hat ein Ausbildungszentrum vom Feinsten vor die Werkstore gestellt. Im Gegenzug musste Audi erhebliche Anstrengungen für die Ausbildung der mexikanischen Mitarbeiter unternehmen.

Die wenigsten Q5 made in Mexico werden im Land bleiben. In diesem Jahr wird Audi dort gerade einmal 15 000 Pkw absetzen, darunter gerade einmal 1500 Q5. 99 Prozent der Produktion werden daher über den Hafen Veracruz in alle Welt verschickt – die meisten nach Europa und Nordamerika.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.