Merkel will kein Konjunkturprogramm
Bundeskanzlerin Angela Merkel bleibt standhaft. Obwohl die Wirtschaft warnt und zwei ihrer Minister zum Handeln raten, sieht Merkel keinen Grund zur Beunruhigung.
Trotz zunehmender Warnungen aus der Wirtschaft vor einem Abbruch des Konjunkturaufschwungs hält Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nichts von zusätzlichen Konjunkturprogrammen. Nach Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) erhielt nun auch Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) für seinen Vorstoß in dieser Frage eine offizielle Abfuhr der Regierungschefin.
Es gebe keinen Grund, die bisherigen Wachstumsprognosen nach unten zu korrigieren, sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg am Montag in Berlin. Und «es gibt im Kabinett keine Überlegungen für irgendwie geartete Konjunkturprogramme». Steg wies damit den Vorschlag von Gabriel für ein «Ökologisches Wachstumsprogramm» zurück. In der Industrie kündigt sich nach Expertenangaben ein bedrohlicher Auftragsmangel an. Die Regierung hält indes weiter an ihrer Prognose eines Wirtschaftswachstums von 1,7 Prozent für 2008 und 1,2 Prozent für 2009 fest. Nach Auffassung Gabriels sorgen sich viele Menschen jedoch zu Recht um die künftige Entwicklung von Konjunktur und Jobs, wie er der Tageszeitung «Die Welt» sagte.
Ökologisches Wachstum
Eine Stabilisierung will er zusammen mit der Energie- und Klimapolitik in einem «ökologischen Wachstumsprogramm» erreichen: Investitionen in Energie- und Ressourcenschonung sollten steuerlich schneller abgeschrieben werden können als andere Investitionen. Dies sei ökonomisch und ökologisch sinnvoll und «wird nicht durch Milliarden Subventionen aus dem Staatshaushalt finanziert, wie Herr Glos das vorschlägt», meinte Gabriel. Außerdem sollte zur Entwicklung der Zukunftsmärkte ein 500 Millionen Euro umfassender Fonds der KfW-Bankengruppe geschaffen werden. Daraus sollten umweltfreundliche Technologien über Zuschüsse und zinsgünstige Darlehen finanziert werden. Gabriel: «Wir sollten außerdem einen Green-Tech-Dax schaffen, um zu zeigen, Umweltschutz- Technologien entwickeln sich am Markt.»
Einkauf nach ökologischen Kriterien
Als drittes Instrument schlug Gabriel einen Beschaffungspakt von Bund, Ländern und Gemeinden vor. Danach sollten 25 Prozent der Verbrauchsmaterialien beim Einkauf nach harten ökologischen Kriterien vergeben werden. «Jede dieser Ideen ist intelligenter und marktwirtschaftlicher als der hilflose Strohfeuer-Vorschlag von Herrn Glos», meint Gabriel. Das Wirtschaftsministerium hatte dagegen kürzlich ein bisher 20- Milliarden-Paket aus Steuersenkungen, Pendlerpauschale sowie erhöhter Steuerabsetzbarkeit von Handwerker-Leistungen für den Fall einer deutlichen Konjunktur-Abkühlung geschnürt. Auch dieses Programm - dessen Wirksamkeit vom SPD-geführten Finanzministerium infragegestellt wird - hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich zurückweisen lassen.
Dämpfer nicht ausgeschlossen
Vor der Presse hatte sie die Gefahr einer Rezession zurückgewiesen, aber mögliche Konjunkturdämpfer nicht ausgeschlossen. Steg betonte, die Bundesregierung habe inzwischen ein 25-Milliarden- Investitionsprogramm sowie ein zweiteiliges Energie- und Innovationspaket auf den Weg gebracht. «Das gilt es zu verstetigen, aber nicht irgendwie mit neuen Programmen oder Ansätzen.» Das Münchner Ifo-Institut erwartet den Auftragsmangel in der Industrie bereits im laufenden zweiten Halbjahr. «Viele Firmen werden nach und nach Kapazitäten abbauen, auch Personal entlassen», sagte Konjunktur-Experte Kai Carstensen der «Bild»-Zeitung. «Die Erwartungen der Unternehmen sind grottenschlecht.» Der Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Martin Kannegiesser, warnte in dem Blatt: «In vielen Firmen reichen die Aufträge nur noch bis Jahresende.» Die weltweite Abkühlung der Konjunktur treffe die Metall- und Elektroindustrie zunehmend stärker.
Skepsis beim Geschäftsklimaindex
Beim jüngsten Ifo-Geschäftsklimaindex hatten sich die Firmen bei der Frage nach den Erwartungen für die kommenden Monate so skeptisch wie seit fast sechs Jahren nicht mehr geäußert. «Wir müssen uns warm anziehen für die zweite Jahreshälfte», warnte der Chefvolkswirt der Deka-Bank, Ulrich Kater. Die jüngsten Zahlen zum Auftragseingang seien beunruhigend, denn sowohl aus Übersee wie aus Europa selbst gehe die Nachfrage zurück. Auch der Arbeitsmarkt schwäche sich ab. Im Juli war die Zahl der offenen Stellen in Privatfirmen laut Bundesagentur für Arbeit um 38.000 auf 424.000 gesunken, was nach Expertenschätzung vielerorts auf eine leicht sinkende Arbeitskräfte-Nachfrage hinweist.
Kein Absturz erwartet
Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, erwartet «eine Abschwächung, aber keinen Absturz» der Konjunktur in der zweiten Hälfte dieses Jahres. «Mein Bild ist nicht so pessimistisch», sagte er am Montag in Köln. Nach der Einschätzung des Konjunktur-Experten Klaus- Jürgen Gern vom Kieler IfW gehen die Auftragseingänge der Unternehmen seit geraumer Zeit zurück. Mittlerweise sei es auch so, dass die Produktion «Schwächesignale sendet». Gern sprach von einer Delle, eine konjunkturelle Talfahrt im Sinne einer Rezession erwarte er aber noch nicht. Nach wie vor seien die Unsicherheiten aber groß, darunter auch die Finanzmarktkrise, die noch nicht überwunden sei. (dpa)
- Themen:
- Bundesagentur für Arbeit
- CDU
- CSU
- SPD
- Sigmar Gabriel