Merkel: "Die Einlagen der Sparer sind sicher"

Der Münchner Finanzkonzern Hypo Real Estate (HRE) steht am Abgrund, braucht dringend 50 Milliarden Euro. Die ganze Nacht suchte die Bundesregierung nach einer Lösung für das krisengeschüttelte Unternehmen und reagierte mit einer Komplettgarantie für alle privaten Spareinlagen.
von  Abendzeitung
Rettung in stürmischen Zeiten? Die Hypo Real Estate darf nicht untergehen, sagen Fachleute und die Bundesregierung.
Rettung in stürmischen Zeiten? Die Hypo Real Estate darf nicht untergehen, sagen Fachleute und die Bundesregierung. © az

Der Münchner Finanzkonzern Hypo Real Estate (HRE) steht am Abgrund, braucht dringend 50 Milliarden Euro. Die ganze Nacht suchte die Bundesregierung nach einer Lösung für das krisengeschüttelte Unternehmen und reagierte mit einer Komplettgarantie für alle privaten Spareinlagen.

BERLIN/MÜNCHEN Die Katastrophe, in dürre Worte gefasst: Das 35-Milliarden-Euro-Rettungspaket für den Münchner Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE) ist "nicht länger gültig", teilte die Bank am Samstagabend mit. "Es wird nach alternativen Maßnahmen gesucht."

Nachdem die Deutsche Bank bei der HRE einen Finanzbedarf von 50 Milliarden Euro ausgerechnet und die privaten Geldinstitute ihre bis dahin gültigen Hilfszusagen zurückgezogen hatten, scheint ohne öffentliche Unterstützung der Exitus der HRE unvermeidlich. Damit droht eine Insolvenz, die das deutsche Bankensystem in den Abgrund reißen könnte.

Eine der wichtigsten Anlagen im deutschen Markt sind Pfandbriefe – durch Immobilien abgesicherte Anlagen, die die Banken als Sicherheit hinterlegen, wenn sie sich von anderen Instituten Geld besorgen. Pfandbriefe der HRE machen rund ein Fünftel des deutschen Pfandbriefmarktes aus. Gerät dieser Markt aus den Fugen, ist das gesamte System der Geldbeschaffung über Deutschland hinaus in Gefahr. Als erste Bank, die durch die HRE in ernsthafte Schwierigkeiten geraten könnte, meldete sich der belgisch-französische Immobilienfinanzierer Dexia. Er sei von den HRE-Problemen stärker betroffen als vom Zusammenbruch der US-Bank Lehman Brothers, hieß es.

"Wir sagen den Sparern: Ihre Einlagen sind sicher."

Gestern trafen sich Vertreter der Regierung, der Bundesbank, der Finanzaufsicht, der Bankenbranche und der HRE zum Krisengespräch. Bundeskanzlerin Angela Merkel war sichtlich bemüht, Panikreaktionen der Anleger zu verhindern. Die Bundesregierung werde nicht zulassen, dass die Schieflage eines Finanzinstituts das ganze System in Schieflage bringe, sagte sie – und trat die Flucht nach vorn an: Erstmals stellte die Bundesregierung eine Komplettgarantie für private Spareinlagen in Aussicht. Merkel: "Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind. Auch dafür steht die Bundesregierung ein." Nach Angaben des Finanzministeriums umfasst die Garantie 568 Milliarden Euro. Ein drastischer Schritt – aber nach dem 700-Milliarden-Dollar-Auffangnetz für die US-Banken und staatlichen Schutzprogrammen für Spareinlagen in Irland, Großbritannien und Griechenland sah sich Merkel offensichtlich unter Zugzwang.

Angesichts der funktionierenden deutschen Einlagensicherungssysteme wäre die schützende Hand des Staates für deutsche Sparer vielleicht nicht unbedingt nötig. Doch Merkels Hilfe für die HRE kommt öffentlich besser an, wenn sie sich auch um den kleinen Anleger kümmert.

Die Kanzlerin gab die Kämpferin gegen unfähige Manager und kündigte an, dass die Verantwortlichen der Bank zur Rechenschaft gezogen werden sollen: "Das sind wir auch dem Steuerzahler in Deutschland schuldig." Finanzminister Peer Steinbrück zeigte sich "ziemlich entsetzt" über die Führungskräfte der HRE und darüber, dass "ein weiteres Liquiditätsloch in ungeahnter Milliardenhöhe" aufgetaucht sei. "Die Bundesregierung lehnt es ab, von diesem Bankeninstitut in eine Art Mitverantwortung gezogen zu werden", sagte er. Doch ohne massive öffentliche Hilfe könne die HRE allenfalls bis Dienstag überleben, hieß es in der Branche. Doch Unionsfraktionsvize Volker Kauder machte klar: Der Bund erhöht die Bürgschaftszusagen nicht.

Die Banken wollen Köpfe rollen sehen

Damit waren wieder die privaten Banken am Zug. Am späten Abend zeichnete sich eine Annäherung ab: Die Banken wollten den Umfang der Notfallkredite für HRE auf 30 Milliarden Euro verdoppeln, hieß es aus Verhandlungskreisen. Damit beliefe sich das Rettungspaket auf insgesamt 50 Milliarden Euro. Die Banken verlangten aber, dass HRE-Vorstandschef Georg Funke und Aufsichtsratschef Kurt Viermetz gehen müssen.

Die Stimmung in Berlin gegenüber den Vertretern der Finanzwirtschaft ist frostig. "Wir müssen sehen, wie wir die Scherben, die die uns vor die Tür gekippt haben, zusammenkehren", hieß es. Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn forderte eine Verstaatlichung der HRE. Der Nürnberger Finanzexperte Wolfgang Gerke warf der HRE-Führung Versagen vor. Es sei unvorstellbar, dass ein Institut seinen Refinanzierungsbedarf nicht im Griff habe. Susanne Stephan

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