Mein Chef, der Amerikaner

MÜNCHEN - US-Arbeitgeber in Deutschland: Sie bieten viel, sie verlangen auch viel. Es gibt kostenlose Kletterwände, aber keinen geregelten Feierabend.
Mit minimalen Arbeitnehmerrechten und maximaler Arbeitszeit gelten die Vereinigten Staaten nicht gerade als Dorado für abhängig Beschäftigte. US-Unternehmen in Deutschland haben aber einen guten Ruf als Arbeitgeber. Viele sind in der High-Tech-Branche tätig, sind also auf hochqualifizierte Mitarbeiter angewiesen – und legen sich ordentlich ins Zeug, um Bewerber anzulocken.
Microsoft in Unterschleißheim etwa tut sich in der Frauenförderung hervor – wie viele US-Firmen. Mütter können leichter Karriere machen, selbst Väter, die sich um den Nachwuchs kümmern, werden eher akzeptiert. Fünf der 13 Geschäftsführer bei Microsoft sind alleinerziehende Mütter. Es gibt eine ganze Palette an Maßnahmen für Eltern: flexible Arbeitszeiten, Heimarbeitsplätze, Hilfe bei der Suche nach der Kinderbetreuung, „Lebenslagencoaching“ für persönliche Krisensituationen. Überraschend für eine US-Firma hat Microsoft einen Betriebsrat. Chefin Doris Schweikl lässt nichts auf ihren Arbeitgeber kommen.
Die Präsenz am Arbeitsplatz ist eher egal
Auch Cisco Systems in Hallbergmoos hält sich zugute, besonders flexibel auf die Belange der Mitarbeiter einzugehen. Davon profitiert Cisco-Sprecherin Sabine Lobmeier, die neulich eine Stunde im S-Bahn-Netz Münchens stecken blieb, nachdem sie ihren Sohn in der Kinderkrippe abgegeben hatte. Kein Grund zur Aufregung, denn nach der Präsenz am Arbeitsplatz fragt bei Cisco eh niemand, und einen Teil ihres Jobs kann die 40-Jährige von unterwegs oder von zu Hause aus erledigen. „Wir haben alle Home Offices (Heimarbeitsplätze) und können uns von dort auch in Videokonferenzen einklinken“, sagt Lobmeier.
Auf modernste Technik wird großen Wert gelegt: Jeder ist mit jedem vernetzt, stellt die Inhalte seiner aktuellen Arbeit im Firmen-Intranet zur Diskussion und trifft die Kollegen aus Übersee per Video-Chat. Wer allerdings auf sklavisch geregelte Arbeitszeiten pocht, würde wohl scheel angesehen. Das tut der Beliebtheit keinen Abbruch: Zwei Mal wurde Cisco zu „Deutschlands bestem Arbeitgeber 2008“ gekürt.
1,7 Millionen Bewerbungen
Ein kleines Arbeitnehmer-Paradies ist Google. Die Suchmaschinen-Firma hat vor einem Jahr in bester Lage im Münchner Alten Hof ein schickes 1400-Quadratmeter-Büro für 40 Beschäftigte eingerichtet. „Wir haben kostenlose Verpflegung, und zwar First-Class-Essen, zwischendrin Getränke, Snacks, Joghurt, Obst oder Eis“, sagt Sprecher Stephan Keuchel. Eine Boulder-Wand sorgt für Entspannung, Massagen sind gratis.
„Wir setzen sehr hohe Maßstäbe an, stellen nur die Besten ein“, sagt Keuchel. 1,7 Millionen Bewerbungen gab es 2007 – die meisten bekämen Absagen: Google verlange einen „extrem guten“ Studienabschluss, exzellente Englischkenntnisse und Berufserfahrung. Jeder, der das erfülle, werde „mit Kusshand“ genommen, verspricht Keuchel.
Susanne Stephan