Mehr Lohn im öffentlichen Dienst: „Nicht verantwortbar“
MÜNCHEN - Thomas Böhle lehnt die Forderung nach fünf Prozent mehr Lohn im öffentlichen Dienst rundweg ab und will den Gewerkschaften Paroli bieten. Ab Mittwoch wird in Potsdam verhandelt.
AZ: Die Gewerkschaft Verdi fordert fünf Prozent mehr Lohn - haben Sie durchgerechnet, was das für die Stadt München bedeuten würde?
THOMAS BÖHLE: Sie können davon ausgehen, dass ein Prozent mehr die Stadt München gute zehn Millionen Euro im Jahr kostet. Insgesamt wären es also 50 Millionen im Jahr.
50 Millionen - das ist im Vergleich mit den Milliardenhilfen für die Banken ein Klacks, könnte man argumentieren. Ist es nicht nachvollziehbar, dass die Beschäftigten jetzt auch mehr Geld wollen?
So eine Argumentation wäre fahrlässig. Die Kommunen haben sich ja nie an dieser Art von Stützungsmaßnahmen beteiligt und werden im Gegenteil seitens des Bundes dazu gezwungen, diese Ausgaben mit zu finanzieren.
Könnten die Arbeitgeber den Gewerkschaften etwa über Beschäftigungssicherung oder den Verzicht auf die Ausgliederung kommunaler Betriebe entgegenkommen?
Im öffentlichen Dienst gibt es sowieso keine betriebsbedingten Kündigungen, auch die Ausgründungen sind im Moment erfreulicherweise zurückgegangen. Kontraproduktiv wären jetzt Erhöhungen in den unteren Lohngruppen, weil sie Privatisierungen begünstigen würden.
Wären dann Einmalzahlungen ein gangbarer Weg für eine Einigung?
Wir haben zurzeit im öffentlichen Dienst mit dem Abschluss von 8,65 Prozent für 2008 und 2009 die absolute Lohnführerschaft. In einer solchen Situation muss man der katastrophalen Situation der Kommunen Rechnung tragen. Eine Forderung in einer Größenordnung von fünf Prozent ist deshalb vollkommen unrealistisch und nicht verantwortbar. Man muss auch sehen, dass wir für das gesamte Bundesgebiet verhandeln. In Nordrhein-Westfalen und in Ostdeutschland gibt es viele Kommunen, die sich jede finanzielle Transaktion von den Aufsichtsbehörden genehmigen lassen müssen. In anderen Städten müssen Schulen geschlossen werden, wird die Gewerbesteuer erhöht, wird das kostenlose Mittagessen in den Kitas gestrichen, kann die öffentliche Infrastruktur nicht gepflegt werden.
In der Metallbranche, die ja auch Betriebe mit sehr unterschiedlicher Leistungskraft kennt, wird immer wieder über Öffnungsklauseln im Tarifvertrag gesprochen. Wäre dies auch für den öffentlichen Dienst möglich, um einzelne Kommunen, die gar kein Geld haben, nicht zu überfordern?
Das halte ich nicht für gangbar, weil die Kommunen wegen der Politik des Bundes und der Länder mit einer strukturellen Unterfinanzierung leben müssen. Wir können nur das Geld ausgeben, das wir haben.
Sie haben in der Vergangenheit gesagt, Sie wollten die leistungsgerechte Bezahlung vorantreiben. Aber kann man die Leistung beispielsweise einer Verwaltungskraft oder Kindergärtnerin genauso wie die eines Arbeiters im gewerblichen Bereich messen?
Sicher. Es gibt Kundenbefragungen, es gibt das Instrument der Zielvereinbarungen. 2005 haben Arbeitgeber und Gewerkschaften vereinbart, dass acht Prozent der Lohnsumme für Leistungszulagen verwendet werden sollen. Bisher ist es nur ein Prozent, unter anderem deshalb, weil sich die Gewerkschaften 2008 einer Weiterentwicklung dieses Instrumentariums verweigert haben. Jetzt ist es an der Zeit, dieses eine Prozent aufzustocken. Int.: sun
- Themen:
- Gewerkschaften
- Thomas Böhle