Mehr digitale Erpressungen, weniger Phishing

Im Schatten der NSA-Affäre wächst der Betrug im Internet. Experten warnen davor, dass die Jagd auf Cyber-Abzocker ins Hintertreffen gerät.
München - Wegen des NSA-Skandals können sich Internet-Kriminelle die Hände reiben: Denn die Aufmerksamkeit gehört derzeit den Geheimdiensten – und nicht den Online-Betrügern. Letztere sind laut Bundeskriminalamt aktiv wie nie zuvor. Deshalb hat die Behörde den Betrug im Netz zum Hauptpunkt ihrer Herbsttagung gemacht, die gestern in Wiesbaden begann. „Die Debatte über Geheimdienste darf nicht von der Online-Kriminalität ablenken“, mahnte Telekom-Chef René Obermann am Montag. Er weiß, wovon er spricht. Denn die Telekom hat 180 sogenannte „Honigfallen“ aufgestellt. Das sind ungesicherte Computer-Systeme, die Hacker und Betrüger anlocken sollen. Und das klappt: Die 180 Fallen registrieren täglich bis zu 800000 Attacken.
Auch die Zahlen des Virenschutzexperten Kaspersky Lab sind alarmierend. 14,1 Millionen Angriffe auf Rechner habe es zwischen September 2012 und August 2013 allein über die auf fast allen Computern installierte Java-Software gegeben. Das ist ein Drittel mehr als im Vorjahreszeitraum. Fast zwölf Prozent der Angriffe gingen gegen deutsche Nutzer, also knapp 1,7 Millionen. Besonders gefährdet für Angriffe sind Java, der Adobe Flash Player und Adobe Reader. Denn sie gehören zur Standardsoftware fürs Internet. Ohne die Programme geht online fast nichts.
Laut dem Bundeskriminalamt hat sich die Kriminalität im Internet in Deutschland in den letzten fünf Jahren verdoppelt. Die Behörde spricht offen über ein „großes Dunkelfeld“. Viele Straftaten werden überhaupt nicht angezeigt.
Zum Beispiel bei Erpressungsversuchen. Da taucht schon mal ein Fenster auf dem Bildschirm auf, in dem behauptet wird, man habe Kinderpornografie heruntergeladen. Wenn man hundert Euro überweise, gebe es keine Strafverfolgung. „Oft verwenden die Betrüger dabei sogar das BKA-Logo“, so Sprecherin Marianne Falasch zur AZ.
Während die Betrüger bei der digitalen Erpressung immer dreistere Maschen finden, gehen die Fälle, bei denen Betrüger Kontodaten abgreifen (Phishing) zurück. Da wirken die neuen TAN-Verfahren, die mehr Sicherheit bieten. Ganz sicher sind Nutzer aber noch nicht: Wer das gleiche Handy für Online-Banking benutzt, an das auch die SMS-TAN geschickt wird, der läuft Gefahr, dass Hacker die Nachricht von der Bank abfangen.
Überhaupt sind die Smartphones das neue Einfallstor für Internet-Kriminelle. Dabei haben sie vor allem das meistverbreitete mobile System Android im Visier. Laut den Zahlen der IT-Sicherheitsfirma F-Secure wurden allein im dritten Quartal dieses Jahres 250 neue Schadsoftware-Apps für Android entdeckt.