Mehr als 13 Millionen Kleinanleger betroffen: Neue Verordnung schafft Probleme beim Aktienkauf

Die EU will Verbraucher schützen und Neobroker strenger reglementieren. Das Verbot wird kostenlosen oder günstigen Aktienhandel beenden. Ein Nachteil für Kleinanleger?
von  Martina Scheffler
Echtzeithandel an der Börse per Smartphone. Die EU hat Pläne, Rückvergütungen etwa für Neobroker zu verbieten.
Echtzeithandel an der Börse per Smartphone. Die EU hat Pläne, Rückvergütungen etwa für Neobroker zu verbieten. © Wirestock/imago

Brüssel - Die Welt der Neobroker und ihrer Kunden ist in Aufruhr: Das geplante Verbot der EU für sogenannte Payment for Order Flows (PFOF) bedroht das bisherige Geschäftsmodell. Niedrigste oder keine Gebühren für eine Order wären in Gefahr und viele der 13 Millionen Aktiensparer in Deutschland betroffen.

PFOF bedeutet, dass Broker für die Weiterleitung von Kunden an größere Handelshäuser eine Rückvergütung bekommen. Die Neobroker, darunter das Berliner Fintech Trade Republic oder Scalable Capital aus München, bieten schnellen Wertpapierhandel über Tradingplattformen oder Apps – kostenlos oder für sehr geringe Gebühren wie etwa einen Euro.

Europäische Behörde äußerte schon vor längerem Bedenken zum Vorgehen

Man wolle Verbraucher vor suboptimalen Entscheidungen schützen, gab das Europäische Parlament Ende Juni als Begründung für das Verbot an. Dieses solle sofort gelten. Nur Ländern, in denen PFOF verbreiteter sei – wie Deutschland –, werde eine Frist eingeräumt. Das Verbot müsse vor dem 30. Juni 2026 umgesetzt werden.

Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde gab schon 2021 an, sie habe Bedenken angesichts der Geschäftspraktiken von Brokern, die von den Kunden keine eigenen Gebühren verlangen. Es gebe einen Interessenkonflikt, da für Broker ein Anreiz vorhanden sei, sich nicht für die beste Lösung für die Kunden zu entscheiden, sondern für das Handelshaus, das den Brokern die bessere Rückvergütung bietet.

PFOF-Verbot: Scalable-Capital-Gründer will Preiserhöhungen vermeiden

Eine Studie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hatte 2022 dagegen ergeben, dass für Kundenaufträge mit geringerem Umfang "die Ausführung über PFOF-gewährende Handelsplätze überwiegend vorteilhaft" ist. Gehe es um höhere Beträge und seien nur wenige Aktien handelbar, gingen Vorteile verloren.

Der Gründer von Scalable Capital Erik Podzuweit sagte dem "Handelsblatt", man wolle trotz Verbots dennoch Preiserhöhungen vermeiden. Ausschließen ließen sie sich nicht.

Experten bemängeln Intransparenz von PFOFs

Das wäre gar kein Nachteil, heißt es bei der Europäischen Verbraucherorganisation BEUC in Brüssel. Diese sei "relativ zufrieden" mit dem Verbot, sagt Finanzexperte Bryan Coughlan der AZ. PFOFs seien problematisch, "weil sie intransparent sind". Die Verbraucher bekommen schlechtere Preise beim Kauf und Verkauf, als gerade am Markt erreichbar sind: "Davon lebt die Plattform und davon bezahlt sie die Broker."

Das System sei "nicht wirklich transparent" und Transaktionen mit PFOF "oft teurer, als wenn direkte Gebühren gezahlt würden". Würden transparente Gebühren verlangt, würden diese zu einem Wettbewerbskriterium - und dementsprechend geringer als jetzt.

PFOFs haben Risiken – aber auch Vorteile

Die Kritik, ein PFOF-Verbot verschrecke junge Menschen, die durch Neobroker erst an Kapitalanlagen herangeführt wurden, teilt Coughlan nicht: "Neobroker haben Menschen sensibilisiert für die Welt von Kapitalanlagen, aber es gibt keine Gefahr durch ein PFOF-Verbot. Es werden nicht die Neobroker verboten, nur das bisherige Geschäftsmodell. Es geht auch ohne PFOF." Das Argument der Bafin, für Verbraucher, die mit kleineren Beträgen operieren, sei PFOF von Vorteil, kontert Coughlan: Verbraucher sollten nicht oft mit kleinen Beträgen handeln, sondern seltener mit mehr Volumen. "Das ist billiger und bringt mehr." "

An Spekulation mit ständigem Hin und Her gewinnen am Ende immer die Finanzinstitutionen, nicht die Verbraucher." Börsenexperte Ulrich Müller, Gründer der Ulrich-Müller-Wealth-Academy in Hamburg, sieht das PFOF-Verbot ähnlich. "Das Ganze bringt für die Kund:innen auf den ersten Blick höhere Ordergebühren und somit Nachteile, weswegen auch die Neobroker dagegen Sturm laufen und von einer Verringerung des Wettbewerbs sprechen", sagt er der AZ.

Börsenexperte sieht in neuem Verbot keinen Angriff auf Neobroker

Es entstehe aber auch mehr Transparenz für die Verbraucher. Kunden orderten wohl nicht mehr "zwingend bei einem vom Broker bestimmten und bevorzugten elektronischen Handelssystem, sondern werden die Wahl zwischen verschiedenen Börsenplätzen und Handelsplattformen haben", ist der Experte sicher.

"Wenn wir ehrlich sind, war das Gebührenmodell bei den Neobrokern dadurch oftmals eine Mogelpackung oder lediglich bei kleinen Ordersummen attraktiv, da die Gebühren im Preis des Wertpapiers verschwanden."

Auch Ulrich Müller sieht in dem PFOF-Verbot keinen Angriff auf die Neobroker. Deren "Siegeszug", der "niederschwelligen Einstieg ins Wertpapiergeschäft gebracht" habe, werde damit keinesfalls enden.

Kunden würden künftig auf andere Erlösmodelle setzen, "etwa höhere Orderprovisionen und -gebühren oder eine monatliche Gebühren-Flatrate, mit der dann alle Orderkosten mit Ausnahme der börsenspezifischen Fremdkosten beglichen sind". Viele Branchenakteure hätten die Entwicklung kommen sehen und etwa Grundgebührenmodelle oder Abomodelle eingeführt. "Günstig werden die Broker daher auch mittelfristig bleiben, einfach weil sie es aufgrund schlanker, digitalisierter Prozesse können", sagt Müller.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.