Mea culpa?
"Reue zeigen, den Fall ad acta legen": Georg Thanscheidt, stellvertretender Chefredakteur der AZ, über die neue Entschuldigungs-Kultur.
Erstaunlich: Selbst Menschen, die sich für unfehlbar halten oder dafür gehalten werden, können sich entschuldigen. Nein, hier ist – noch nicht – die Rede von Papst Benedikt XVI. Sondern von Bahn-Chef Hartmut Mehdorn. Der hat sich doch wirklich für die Bespitzelung der kompletten Belegschaft bei der kompletten Belegschaft entschuldigt. In Wirtschaft und Politik steht die Entschuldigung meist am Ende des Konflikts. Zumindest sieht das der um Verzeihung Bittende so – sei es Mehdorn, Glos (der sich bei einem Polizisten entschuldigt) oder Josef Ackermann (der mit dem Victory-Zeichen).
„Wer den Menschen kennen lernen möchte, der studiere seine Entschuldigungsgründe“, empfahl schon der Dramatiker Friedrich Hebbel. Und die liegen in diesen Fällen auf der Hand: demonstrativ Reue zeigen, den Fall leise ad acta legen.
Christen sind eigentlich Profis in Sachen Entschuldigung. Das Schuldbekenntnis ist fester Bestandteil der Messe, das "Ich bekenne" wird seit 1000 Jahren gebetet, gehört aber seit 40 Jahren nicht mehr zum Pflichtprogramm. Aber das daraus abgeleitete "mea culpa" ist sprichwörtlich. Vor neun Jahren entschuldigte sich Papst Johannes Paul II. damit für Glaubenskriege, Inquisition und Judenverfolgung. Umso empörender, dass sein Nachfolger Benedikt XVI. Holocaust-Leugner Richard Williamson den Weg zurück in die Kirche ebnet. Es mag sein, dass der Heilige Vater nicht über die Lügen des Bischofs unterrichtet worden war. Und es ist richtig, dass er Williamsons Widerruf einfordert. Aber eine Entschuldigung für die Fehler der Kurie wäre wegweisend gewesen.
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