Madeleine Schickedanz: „Wir gehen zum Discounter“

Zehntausende Menschen in Deutschland bangen um ihre Jobs in den Firmen, die ihr teilweise gehören: Madeleine Schickedanz. Doch die Erbin hat selbst Probleme, denn sie lebt, nach eigenen Aussagen "mit 600 Euro im Monat“.
Sie gehört zu denen, die „ganz zurückgezogen“ leben. Madeleine Schickedanz ist eine Prominente, die „das Licht der Öffentlichkeit scheut“, wie es so schön heißt – es sei denn, das Licht gleißt zur Festspielzeit in Salzburg oder Bayreuth. Aber Zurückgezogenheit ist der Erbin von Quelle und Schickedanz nicht mehr vergönnt. Bangen doch zehntausende Menschen in Deutschland um ihre Jobs in den Firmen, die ihr teilweise gehören. Seit ihr Konzern vor der Zerschlagung steht und ihr Versandhaus vor der Pleite, geht es auch Frau Schickedanz ganz schlecht. Und Milliardärin ist sie auch nicht mehr: „Heute sind es gerade noch 27 Millionen.“
In einem bemerkenswerten BamS-Interview erlaubt die 65-jährige Tochter des Quelle-gründers Gustav Schickedanz einen Blick in ihr schlossartiges Haus im fränkischen Hersbruck – und in ihr Innenleben. „Es belastet mich sehr, dass ich den Mitarbeitern bei Quelle und Karstadt nicht helfen kann“, sagt sie. Der Ruf nach einer Finanzspritze aus der Schatulle der Großaktionärin wurde laut, als sich die Insolvenz der Arcandor-Gruppe und bei Quelle abzeichnete. Das sei aber nicht möglich, meint sie.
„In der Öffentlichkeit gelte ich als Milliardärin“, sagt Schickedanz: Tatsächlich sei ihr Karstadt-Quelle-Aktienpaket „einmal drei Milliarden wert“ gewesen. Heute seien es „gerade mal“ 27 Millionen. Und: „Wir sind nicht abgesichert. Wenn die Arcandor-Rettung scheitert, verliere ich alles“, sagt sie: „Häuser, Aktien, Beteiligungen.“ Schickedanz weiter: „Ich bekäme mit meinen 65 Jahren noch nicht einmal Rente.“ Auf die Frage nach den privaten Lebensverhältnissen schildert die Milliarden-Erbin ein Mittelschichts-Idyll: „Wir leben von 500 bis 600 Euro im Monat. Wir kaufen auch beim Discounter. Obst und Gemüse haben wir im Garten.“
Höchstens „beim Italiener um die Ecke“ leiste sie sich mit Ehemann Leo Herl (66) ein bisschen Abwechslung: „Wir essen eine Pizza, trinken ein Viertel Wein und ein alkoholfreies Bier, das kostet weniger als 40 Euro.“ Die Bilder an der Wand gehören ihrem Mann, sagt sie: „Wir haben Gütertrennung, er wollte nichts von meinem Geld.“ Die Krise, sagt sie, macht sie krank. „Ein Horror.“ In ihrem Haus in St. Moritz sei sie „zusammengebrochen. Ich hatte Herzrhythmus-Störungen, konnte nur auf allen Vieren krabbeln“, sagt sie: „In dem Moment dachte ich: Ich muss sterben.“ Wie ihre Kinder auf die Krise reagieren? „Die sind nicht begeistert.“- Auch, weil das Erbe weg ist? „Wenn Sie so fragen: Ja.“
Die Abwesenheit von unermesslichen finanziellen Ressourcen bringt neue Gefühle der Ohnmacht mit sich. Besonders schlimm sei es vor einem Jahr gewesen, bei der „Zauberflöte“ in Salzburg. „Da ging die Arcandor-Krise los. Ich habe die Blicke der anderen Besucher wie Messer im Rücken gespürt.“
Johannes Lieberer