Lohnsteuerkarte 2010 war die letzte

BERLIN - Immerhin: Die lästige Frage "wo habe ich eigentlich die Lohnsteuerkarte hingelegt" entfällt künftig. Ein bisschen Wehmut schwingt allerdings auch mit, wenn die Ära der Pappkarte zuende geht. Nun läuft alles nur noch über Computer.
Rot, Gelb, Grün, Orange: Selbst die jährliche Reihenfolge der Lohnsteuerkarten-Farben ist in Deutschland festgelegt - oder war es vielmehr. Denn die Lohnsteuerkarten, die für dieses Jahr verschickt werden, sind die letzten. Damit geht eine fast 90-jährige Geschichte zu Ende. Das Aus für die Pappkarten ist Teil der Digitalisierung der Kommunikation zwischen Steuerzahler und Finanzamt. Datenschützer und Steuerberater sehen das nicht nur positiv.
«Ein bisschen wehmütig bin ich schon», räumt Ernst Nöll ein. Schließlich sei die jährlich zugeschickte Lohnsteuerkarte für den Steuerzahler so etwas wie die Bestätigung gewesen, dass er am Arbeitsleben teilnimmt, sagt der Geschäftsführer des Bundesverbands der Lohnsteuerhilfevereine (BDL) in Berlin. So etwas wie der Nachfolger der bunten Pappkärtchen ist ELStAM. Hinter dieser Abkürzung stecken «Elektronische LohnSteuerAbzugsMerkmale».
Wort-Ungetüm
Dieses Wort-Ungetüm wiederum steht dafür, dass künftig die Kommunikation zwischen Bürger und Finanzamt weitgehend papierlos ablaufen soll. Dazu baut das Bundeszentralamt für Steuern in Bonn eine Datenbank auf. Die Arbeitgeber müssen die für die Ermittlung der Lohnsteuer erforderlichen Informationen wie die Steuerklasse oder die Religionszugehörigkeit ab 2012 daraus abrufen
Die Arbeitnehmer brauchen dann nicht mehr die Lohnsteuerkarte im Betrieb abgeben. Vielmehr soll es ausreichen, wenn bei einem Arbeitgeberwechsel der neue Chef eine spezielle Identifikationsnummer mitgeteilt bekommt. Für Änderungen an den Lohnsteuerdaten wie Steuerklasse oder Freibeträge ist künftig ausschließlich das Finanzamt zuständig.
Neuregelung ruft Kritik hervor
Aber die Neuregelung ruft auch Kritiker auf den Plan. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, etwa bezweifelt, dass die riesige Datensammlung verfassungsrechtlich in Ordnung ist. «Außerdem sehe ich die Gefahr, dass die zentrale Datenbank Begehrlichkeiten bei anderen Stellen weckt», schreibt Schaar in seinem aktuellen Tätigkeitsbericht: «So wären die dort gespeicherten Daten sicherlich auch für Sozialleistungsträger oder Strafverfolgungsbehörden von Interesse.»
Auch Wolfgang Wawro, Präsident des Steuerberaterverbandes Berlin-Brandenburg, bereitet das neue elektronische System Sorgen: «Der gläserne Bürger wird immer mehr Wirklichkeit. Wenn irgendwer ganz viele Daten hat, wird die Versuchung groß, das auch für andere Zwecke auszunutzen.» Wawro sieht aber nicht nur Datenschutzprobleme: Für seine Berufskollegen, aber auch für die Angestellten in den Personalabteilungen großer Firmen bedeute die Änderung zusätzliche Arbeit, weil zahlreiche Daten zusätzlich elektronisch erfasst werden müssten: «Die Verwaltungsvereinfachung ist in Wahrheit eine Arbeitsverlagerung vom Finanzamt auf andere Stellen.»
Das ELStAM-Verfahren wird den derzeitigen Planungen zufolge erst 2012 endgültig eingeführt. Die für 2010 verschickten Lohnsteuerkarten sollen aber definitiv die letzten sein. Steuerzahler sollen die Karte daher bis 2011 weiter benutzen
(Sebastian Knoppik, dpa)