Letzte Frist: Lokführer stellen Bahn-Signale auf Streik

Bei der Bahn drohen den Fahrgästen nach den Winterpannen jetzt Streiks. Die Lokführer sind entschlossen zum Arbeitskampf für einen bundesweit einheitlichen Tarif. Ihre Frist endet am 16. Februar.
von  Abendzeitung
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FRANKFURT/BERLIN - Bei der Bahn drohen den Fahrgästen nach den Winterpannen jetzt Streiks. Die Lokführer sind entschlossen zum Arbeitskampf für einen bundesweit einheitlichen Tarif. Ihre Frist endet am 16. Februar.

Die Lokführer haben im Bahnverkehr die Signale auf Streik gestellt. Noch bis zum 16. Februar haben der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, und seine Tarifkommission den Bahnunternehmen eine letzte Frist bis zum Beginn von Warnstreiks gesetzt. Bestreikt würden Deutsche Bahn AG genauso wie ihre privaten Konkurrenten oder die von einer DB-Tochter betriebene S-Bahn in der Hauptstadt Berlin.

Die GDL ist sich ihres Drohpotenzials bewusst. Eine Situation wie beim letzten großen Lokführerstreik in den Jahren 2007/2008 sehe er noch nicht, versichert der GDL-Chef am Donnerstag. Doch man sieht ihm an, dass ihm allein die bangen Fragen danach in die Karten spielen. Um den Reisenden Umplanungen zu ermöglichen, wolle man jeweils rechtzeitig über mögliche Ausfälle informieren. Warnstreiks werde es aber nach dem Protesttag am 16. Februar in Berlin geben.

Mit dem Streikbeschluss will die GDL Druck in einem komplizierten Konflikt aufbauen. Seit Monaten ringen Weselskys Truppen an drei Fronten für ihr großes Ziel mit dem sperrigen Kürzel BuRa-LfTV: einen übergreifenden Bundes-Rahmen-Lokomotivführertarifvertrag für alle 26 000 Lokführer der Republik. Davon arbeiten 20 000 bei der Deutschen Bahn (DB), daneben verhandelt die GDL mit sechs großen Privatbahnen und sechs großen privaten Güterbahnen – bisher ohne Durchbruch.

Neben mehr Geld und einer Angleichung der Tarifstandards in der Branche geht es der GDL auch um einen besseren Schutz vor Jobverlust bei Gesundheitsproblemen oder wenn der Betreiber einer Strecke wechselt. Nicht zufällig rief der oberste Lokführer nun die Erinnerung an die heftige Tarifschlacht bei der Bahn wach, mit der sich die GDL 2007/2008 eine eigenständige Machtposition und ein sattes Lohnplus erkämpft hatte.

Die bundeseigene DB verfolgt den Kurs der GDL mit wachsender Unruhe. Schließlich weiß der Marktführer um die Gefahr, in einen Arbeitskampf hineingezogen zu werden, der auch bei den Wettbewerbern Bewegung erzwingen soll. Zudem reagiert die GDL hochempfindlich auf alle Vorschläge, die sich an das anlehnen, was die konkurrierende Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) ausgehandelt hat. Mit dem früheren SPD-Fraktionschef Peter Struck als Schlichter wurden gerade erst ein Branchentarifvertrag mit der DB und den Privatbahnen für den Nahverkehr sowie ein zweistufiges Einkommensplus bei der DB besiegelt.

Ein brisanter Punkt ist, dass die Rahmenregelungen bei den sechs Privatbahnen Abellio, Arriva, Benex, Keolis, Veolia und Hessische Landesbahn auch für Lokführer gelten sollen. „Das ist ein Affront“, hatte Weselsky schon vor dem Streikbeschluss gegrollt. Schließlich sei es die GDL, die bundesweit drei Viertel der Kollegen organisiere. Den Privaten hält die GDL wegen des EVG-Abschlusses Wortbruch vor.

Unter Weselskys Vorgänger Manfred Schell trotzte die kleinste Gewerkschaft dem Konzern einen eigenen Lokführer-Tarifvertrag ab. Stolze elf Prozent mehr Geld in zwei Stufen und eine Verkürzung der Arbeitszeit um eine auf 40 Stunden waren das Ergebnis eines Duells zwischen Schell und dem damaligen Bahnchef Hartmut Mehdorn. Fast ein Jahr lang hatten sich beide Seiten eine beispiellose Kraftprobe geliefert, unter der die Fahrgäste bei mehreren Warnstreiks zu leiden hatten – Gerichtstermine und eine vergeblich Schlichtung inklusive.

Ein schon beschlossener unbefristeter Streik wurde Anfang 2008 erst nach einer Intervention des damaligen Bundesverkehrsministers Wolfgang Tiefensee (SPD) in letzter Minute abgeblasen. Schell hält die auf einen Kalenderzettel hingeworfene Einigung mit Mehdorn und Tiefensee bis heute in Ehren, bedeutete sie doch die langfristige Überlebensgarantie für die kleine Gewerkschaft mit aktuell 34 000 Mitgliedern. Die dem Brandenburger Tor nachempfundene Lösung sichert der GDL eine von sechs Berufsgruppen-Säulen im Tarifgefüge, während die aus Transnet und GDBA fusionierte EVG die übrigen fünf vertritt.

Drei Jahre später hat sich die Hoffnung auf einen langen Frieden zwischen den Gewerkschaften zerschlagen. Denn die klare Trennung zwischen Zugführern und dem übrigen Bahnpersonal gilt nur für die Deutsche Bahn – jetzt geht der selbe Kampf von damals bei den immer zahlreicheren Konkurrenten in die nächste Runde. Und wieder steht für die GDL auch die größere Konkurrenzgewerkschaft aus dem Deutschen Gewerkschaftsbund im Lager der Gegner.

Von Christian Ebner und Sascha Meyer, dpa

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