Leiden der Anderen
Macht macht nicht selbstsicher, Geld nicht glücklich: Georg Thanscheidt, stellvertretender Chefredakteur der AZ, über Klatsch und Krisen
Das Schöne an den Problemen der Anderen ist ja, dass sie einen eigentlich nichts angehen. Das Schöne am Klatsch hingegen ist, dass ihm genau dies eigentlich herzlich egal ist. Seine Basis ist, wie Oscar Wilde notierte, „eine unmoralische Gewissheit“.
Die gesicherte Vermutung nämlich darüber, wie es eigentlich wirklich abgelaufen ist, als Boris (oder Sandy?) den Schlussstrich gezogen hat. Das erschrockene Wiedererkennen, wenn man einen Blick auf die Ehekrise der Stoibers erheischen darf. Oder die moralische Selbstvergewisserung, wenn man im Gigolo-Drama der Frau Klatten zu erkennen meint, dass Geld doch nicht glücklich macht.
Es ist dieser Blick auf das Leben, das Leiden der Anderen, der dem Einzelnen Halt und Sicherheit geben soll. Der zeigen soll, dass käufliche Liebe eben nicht Liebe ist. Dass selbst mächtige Männer Gefühle nicht kontrollieren können. Und dass man mit Erfolgen im Beruf oder im Sport keine Zuneigung erkaufen, keine Reife erlangen kann
So lassen sich ohne eigene schmerzhafte Erfahrungen wertvolle Gewissheiten gewinnen. Oder die eigenen schmerzhaften Erfahrungen mit denen der Reichen und Berühmten vergleichen.
Und das alles aus sicherer Entfernung. Ein großer Vorteil in Zeiten, in denen sich Turbulenzen auf vermeintlich weit entfernten Märkten zu existenzbedrohenden Stürmen entwickeln. Das Private bleibt privat - und außerordentlich interessant. Auch wenn das natürlich eigentlich niemanden etwas angeht.