Lebensversicherung: Weniger Geld für Kunden?

Milliarden für die Versicherer, weniger Geld für die Kunden: Skandalöse Posse um ein neues Gesetz. Jetzt ist die Politik am Zug.
von  Georg Thanscheidt
Finanzminister Wolfgang Schäuble: Sein Ministerium hat das neue Gesetz über Lebensversicherungen eingebracht.
Finanzminister Wolfgang Schäuble: Sein Ministerium hat das neue Gesetz über Lebensversicherungen eingebracht.

BERLIN Seit Jahren machen Lebensversicherungskunden lange Gesichter, wenn sie ihre Standmitteilungen erhalten: Die am Ende ausgezahlte Summe sinkt, meist weil die sogenannte Überschussbeteiligung niedriger ausfällt. Jetzt könnten die Gesichter noch länger werden: Finanzminister Schäuble will ein Gesetz durchboxen, dass die ausgezahlte Summe um bis zu zehn Prozent kürzt.

Die Bundesländer wollen das verhindern. Am 29. Januar 2013 berät der Vermittlungsausschuss, das gemeinsame Gremium von Bundestag und Bundesrat, über das Gesetz. Die AZ erklärt den Stand des Verfahrens:

Wer ist betroffen?

Betroffen sind alle klassischen Kapitallebens- und Rentenversicherungsverträge, darunter auch die meisten Riester- und Rürup-Verträge sowie betriebliche Verträge zur Entgeltumwandlung. Statistisch gesehen besitzt jeder Deutsche mindestens einen solchen Vertrag – 93 Millionen gibt es in der Bundesrepublik.

Was sieht das Gesetz genau vor?

Bei dem Gesetz geht es um die sogenannten Bewertungsreserven. Aus diesen speist sich unter anderem der Schlussüberschuss – also das Geld, das der Kunde nach Ende der Vertragslaufzeit zusätzlich zur garantierten Summe erhält. Gesetzlich vorgeschrieben war bisher, dass der Kunde zur Hälfte an den Bewertungsreserven beteiligt wird. Künftig könnten die meisten Kunden leer ausgehen.

Die genaue Regelung sieht vor, dass alle Kunden, denen ein Garantiezins versprochen worden ist, der höher ist als der aktuelle Durchschnittszins, an der Reserve nicht beteiligt werden. Derzeit liegt die sogenannte Umlaufrendite bei 1,2 Prozent. Vielen Kunden waren in den 80er und 90er Jahren aber vier Prozent Zinsen oder mehr versprochen worden. Diese bekommen ihren Anteil nicht.

Um wie viel Geld geht es?

Um sehr viel: Insgesamt verwalten Lebensversicherer 743 Milliarden Euro. In den Büchern stehen laut „FAZ“ 50 Milliarden Bewertungsreserven aus festverzinslichen Titeln. 2,6 Milliarden Euro müssten die Unternehmen an ausscheidende Kunden ausschütten – das wollen sie sich sparen

Schwieriger zu berechnen sind die Folgen für den Kunden: Unions-intern war im November die Rede davon, dass die Auszahlung um bis zu zehn Prozent verringert wird. Dem Bund der Versicherten liegt ein Fall vor, in dem es acht Prozent weniger wären. In einer Beispielrechnung geht die Verbraucherorganisation bei einem Standardvertrag (25 Jahre Laufzeit, 50000 Euro Versicherungssumme) von 1000 Euro Verlust aus.

Wer hat das Gesetz beschlossen?

Das Gesetz wurde im November mit den Stimmen von Schwarz-Gelb im Bundestag beschlossen. Begründet wurde es mit der schwierigen Finanzlage der Branche.

Kurz bevor das Gesetz durch den Bundesrat gehen sollte, versuchte Schäubles Finanzministerium noch, nachzubessern. „Wir sind ins Nachdenken gekommen, weil die Gesetzesänderung bei einigen Versicherten zu einer Minderung von über zehn Prozent führt. Das hat uns vorher niemand gesagt“, zitieren die „Stuttgarter Nachrichten“ ein Mitglied der Unionsfraktionsspitze.

Schäuble wollte dann die Minderung auf die Schnelle auf maximal 5 Prozent begrenzen.Der Bundesrat ließ ihn abblitzen. Jetzt ist der Vermittlungsausschuss dran. Das letzte Wort hat danach der Bundestag.

Was soll ich machen?

Der Versicherte ist in einer schwierigen Situation: Er kann „nicht ansatzweise beurteilen, ob er das bekommt, was ihm laut Gesetz zusteht“, schreibt Finanzdienstleistungs-Professsor Hermann Weinmann in einer Stellungnahme für den Bundestag.

Kunden können sich bei ihrer Versicherung nach dem Rückkaufwert der Police erkundigen, in manchen Fällen ist der höher als beim regulären Ablauf. Dann hat man nun zwar Anspruch auf Beteiligung an den Bewertungsreserven, den restlichen Schlussüberschuss bekommt man aber nicht.

Das ist oft ein schlechtes Geschäft. Bleibt die Hoffnung auf Bundestag und Bundesrat.

 

 

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