Lebensversicherung mit Mini-Zinsen kündigen?

Der Garantiezins sinkt, der Anteil an den Bewertungsreserven auch. Die Niedrigzinsen sind die Quelle des Übels. Soll ich jetzt kündigen oder verkaufen?
Georg Thanscheidt |
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Quelle des Ärgers: Lebensversicherungskunden sollten jetzt nachrechnen - schon im Juli 2014 könnte eine Gesetzesänderung in Kraft treten, die sie viell Geld kosten könnte.
dpa Quelle des Ärgers: Lebensversicherungskunden sollten jetzt nachrechnen - schon im Juli 2014 könnte eine Gesetzesänderung in Kraft treten, die sie viell Geld kosten könnte.

Berlin - Lebensversicherungen werden immer unattraktiver: Das Bundeskabinett hat am 4,. Juni 2014 unter der Federführung von Finanzminister Wolfgang Schäuble neue Regeln für das liebste Versicherungskind der Deutschen auf den Weg gebracht.

95 Millionen Policen haben die Deutschen derzeit abgeschlossen – statistisch besitzt also jeder Bundesbürger mindestens eine. Der Großteil der Versicherten müssen sich nun auf geringere Auszahlungen einstellen.

Eine bittere Pille für alle, die in Kürze – also dieses oder kommendes Jahr – mit Auszahlungen aus einer Kapitallebensversicherung eigentlich ihren Lebensabend finanzieren wollen.

Für den einzelnen geht es schnell um mehrere tausend Euro, Insgesamt erhalten deutsche Versicherte voraussichtlich fast 3 Milliarden Euro weniger.

Die wichtigsten Fragen und Nachrichten zur Neuregelung:

Was wurde beschlossen?

 

GARANTIEZINS:

Er soll zum 1. Januar 2015 für Neuverträge von 1,75 Prozent auf 1,25 Prozent sinken. Mit einem hohen Garantiezins von bis zu 4 Pozent hatten Anbieter in der Vergangenheit Kunden gelockt.

Der Gesetzgeber zieht eine neue Obergrenze dafür ein, was Unternehmen künftig maximal zusagen können. Die übrigen Kunden sollen geschützt werden. Lebensversicherungen verlieren damit weiter an Attraktivität.

STILLE RESERVEN:

Die „Bewertungsreserven“ bei festverzinslichen Papieren sollen zwischen auslaufenden und bestehenden Verträgen fairer verteilt werden. Bei Kündigung oder regulärem Ablauf müssen Kunden bisher zur Hälfte an diesen Reserven beteiligt werden.

Künftig darf dieser Teil der Reserven nur noch in dem Maße ausgeschüttet werden, in dem Garantiezusagen für die restlichen Versicherten auch sicher sind. Ausscheidende Kunden müssen – je nach Versicherungssumme – teils auf mehrere tausend Euro verzichten.

Kann ein Versicherer alle Zusagen bedienen, würde auch ausgeschüttet. Steigen die Kapitalmarktzinsen wieder, entfällt die geplante Begrenzung.

Etwa zwei Milliarden der drei Milliarden Euro, die Kunden aus der Ausschüttung im vergangenen Jahr zugeflossen sind, stammen aus festverzinslichen Wertpapieren.

Die Beteiligung an Bewertungsreserven aus Immobilien und Aktien bleibt unverändert. Unberührt bleiben Garantieverzinsung und Überschussbeteiligung einschließlich der Schlussüberschüsse.

RISIKOGEWINNE:

Daran sollen Kunden künftig stärker beteiligt werden. Dafür soll der „Mindestbeteiligungssatz“ von 75 auf 90 Prozent steigen.

KOSTEN:

Unternehmen sollen ihre Abschlusskosten bei Policen senken. Diese dürfen künftig zu einem geringeren Teil an Versicherte weitergereicht werden. Bei Vertragsabschluss sollen zudem Provisionen offen gelegt werden.

AUSSCHÜTTUNGSSPERRE:

Ist die Leistungsfähigkeit eines Versicherers gefährdet, kann die Dividendenzahlung an Aktionäre entfallen.

 

Wer ist betroffen?

Alle Lebensversicherungskunden. Zunächst einmal trifft 6,6 Millionen Verträge, die pro Jahr gekündigt werden oder regulär ablaufen.

Die Verluste fallen individuell unterschiedlich aus – im Schnitt rechnet der Bund mit 440 Euro pro auslaufendem Vertrag. Der Bund der Versicherten ging bisher bei 50.000 Euro Versicherungssumme und einert Laufzeit von 25 Jahren von 1000 Euro Verlust aus.

Betroffen sind aber auch die, die ihrer Lebensversicherung treu bleiben, weil sie noch gut verzinste Altverträge haben. Denn auch ihr Anteil an den Reserven schrumpft.

Hinzu kommt, dass die Versicherer längst Vorsichtsmaßnahmen getroffen haben: Laut einer Auswertung des Magazins „Öko-Test“ verrechnen die Anbieter den Anteil, der den Versicherten – sogar gemäß eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts – zusteht, mit der bisher vorgesehenen Schlussauszahlung.

Die Versicherungen haben das ihren Kunden meist bereits schon 2013 mitgeteilt und weisen in den jetzt verschickten Standmitteilungen noch einmal explizit darauf hin. Für den Kunden lässt das sich auch am gesunkenen Rückkaufwert, der Überschussbeteiligung oder der Schlusszahlung ablesen.

Soll ich jetzt kündigen?

Diese Frage ist pauschal nicht zu beantworten. Das Problem: Für einige Kunden – oft die, derren Verträge bald fällig werden – ist das ratsam, weil sie nach bestehendem Recht mehr Geld rausbekommen.

Sie müssen sich aber beeilen. Nach der jetzigen Planung könnte die Neuregelung schon im Juli in Kraft treten.

Ob und wie viel Geld auf dem Spiel steht, weiß eigentlich nur Ihr Versicherer. Ihn müssen Sie kontaktieren – am besten schriftlich: Einen Musterbrief finden Sie unter auf der Seite der Verbraucherzentrale Bayern.

Grundsätzlich gilt aber immer noch, dass Sie mehr Geld herausbekommen, je länger Sie durchhalten.

Warum das Ganze?

Nach Ansicht der Bundesregierung und Bundesbank gefährden die Niedrigzinsen die Lebensversicherer: Jeder dritte (32 Anbieter) könnte bis 2023 nicht mehr das nötige Kapital vorhalten. Fast jeder zweite Versicherte müsste dann um sein Geld bangen. Ob der Finanzbedarf der Unternehmen so hoch ist, bezweifeln Verbraucherschützer.

Wo gibt’s Hilfe?

Die Verbraucherzentrale Bayern berät unter 09001 8090 020 am Mo, Mi, Do von 9 bis 11 und 15 bis 17 Uhr (2 Euro / Min. aus dem dt. Festnetz, Mobilfunkpreise können abweichen)

 

Weitere Informationen:

Eine Online-Petition gegen die Gesetzesinitiative finden Sie hier bei OpenPetition

Die Stiftung Warentest zur Senkung des Garantiezinses

Der Bund der Versicherten zu den Bewertungsreserven

 

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