Lafontaine: Lob für den Nachwuchs der Linken
MÜNCHEN Als er 1999 als Bundesfinanzminister zurücktrat, legte die Börse um fünf Prozent zu. Gestern wagte sich der Kapitalistenschreck in die Höhle des Löwen – zum Investment-Kongress der Münchner DAB Bank. Das Honorar für seinen Vortrag werde er natürlich spenden, sagte er. An wen, wollte er im Interview mit der AZ aber nicht sagen.
AZ: Die Linke hat in Bayern ziemlich schlecht abgeschnitten. Sie sind ein begnadeter Wahlkämpfer – geben Sie doch mal einen Tipp, wie in Bayern ein Bierzelt voller Menschen für linke Programmatik begeistert werden könnte.
OSKAR LAFONTAINE: Sie brauchen ein Gefühl für die Menschen, die vor ihnen sitzen, sie müssen in etwa wissen, was diese Menschen interessiert. Es schadet auch nicht, ein bisschen Humor dabei zu haben. Wenn Sie zum Beispiel Gregor Gysi, unserern Fraktionsvorsitzenden im Bundestag nehmen, der hat ja Humor, das hat er in vielen Talkshows gezeigt.
Die Linke hat ja mehrere Vertreter, die öffentlich präsent sind. Eine davon ist Ihre Partnerin Sahra Wagenknecht – wo sehen Sie die denn in vier Jahren, wenn sich die Linke neu sortiert haben wird?
Zu meiner Partnerin will ich nichts sagen, aber wir haben sicher eine ganze Reihe politischer Talente: Nehmen Sie die beiden Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger, die es geschafft haben, die Partei nach vielen Streitigkeiten wieder in ruhiges Fahrwasser zu bringen. Oder nehmen sie die Fraktionsvorsitzende im hessischen Landtag, Janine Wissler, die zähle ich ebenso zum talentierten Nachwuchs.
Katja Kippings Vorschlag, noch vor einer Regierungsbildung gemeinsam mit SPD und Grünen einen Mindestlohn zu beschließen, haben die Forscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung jetzt indirekt als Unsinn abgetan – ein Mindestlohn von 8,50 Euro würde Firmen überfordern und die Armut nicht verhindern, geschweige denn einer in Höhe von zehn Euro, wie ihn die Linke fordert.
Das ist eine sehr vordergründige Betrachtungsweise. Sehen Sie doch nach Luxemburg – dort gibt es einen Mindestlohn. Oder nach Dänemark, die nordischen Länder – auch dort gibt es Mindestlöhne, und es tut der Wirtschaft gut. Man kann den Mindestlohn haben, es geht nur darum, ob man es will.
Ein weiteres Thema, das uns die nächsten vier Jahre garantiert erhalten bleiben wird, ist die Eurokrise. Halten Sie an ihrer Forderung fest, zu einem System verschiedener Währungen, deren Kurse aufeinander abgestimmt werden, zurückzukehren? Ich denke, dass wir zu einem Währungssystem zurückfinden müssen, das funktioniert. Wenn die Wechselkurse nicht flexibel sind, können Sie sonst die unterschiedliche Produktivität in den Ländern nur durch Lohn- und Rentenkürzungen ausgleichen. Aber da spreche ich nicht für die Linke, das ist meine persönliche Einschätzung.
Sie befürworten auch Kapitalverkehrskontrollen – aber wäre so eine Situation politisch durchzuhalten? Beispielsweise ein Spanien, das zur Pesete zurückkehrt, das die Grenzen für Überweisungen dichtmacht und wo sich die Leute von ihrem Geld nichts mehr kaufen können?
Natürlich muss so etwas durch Maßnahmen der Zentralbank flankiert werden. Aber wir haben am Beispiel Zypern gesehen, dass Kapitalverkehrskontrollen Sinn machen, und sie würden auch in Griechenland funktionieren. sun