Ladenschluss im Advent: Alle Türen zu!

Das Verfassungsgericht verbietet den Berlinern die Verkaufssonntage zur Weihnachtszeit – in Bayern startet eine neue Inititiative zum Ladenschluss. Kirchenvertreter sind erleichtert: "Familien brauchen den Sonntag".
BERLIN/MÜNCHEN Es ist die großzügigste Regelung zu den Ladenöffnungszeiten in ganz Deutschland – und sie verstößt gegen die Verfassung. Das Land Berlin muss sein Gesetz zur Ladenöffnung ändern. Das Bundesverfassungsgericht erklärte gestern vor allem die Öffnung der Geschäfte an vier Adventssonntagen für grundgesetzwidrig. Dagegen geklagt hatten katholische und evangelische Kirche. Sie begrüßten das Urteil – ebenso wie die Gewerkschaft Verdi. Die AZ beantwortet die wichtigsten Fragen zum Urteil.
Was haben die Richter entschieden?
Das Berliner Ladenschlussgesetz sieht vor: Die Geschäfte dürfen zehnmal im Jahr an Sonntagen öffnen, davon alle vier Adventssonntage. Die Advents-Regelung kippten die Richter nun, weil sie gleich doppelt gegen die Verfassung verstößt: Sie sei weder mit Grundrecht auf Religionsfreiheit noch mit dem Schutz der Sonntagsruhe vereinbar. Eine Sonntagsöffnung müsse die Ausnahme sein. Bei vier Adventssonntagen hintereinander sei das aber nicht mehr der Fall. Ändern müssen die Berliner ihr Gesetz aber erst ab 2010. Die jetzige Regelung bleibt bis Jahresende in Kraft. An den nächsten Adventssonntagen öffnen Berlins Geschäfte also nochmal.
Wie sind die Reaktionen auf das Urteil?
Die Kirchen begrüßten es einhellig. Alois Glück, seit kurzem neuer Chef des Zentralkommites der Katholiken, nannte es ein Zeichen gegen die „totale Ökonomisierung unserer Gesellschaft“. Ähnlich äußerte sich der Münchner Erzbischof Reinhard Marx. Margot Käßmann, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche, sagte: Vor allem Familien brauchten den Sonntag füreinander. Für die Gewerkschaft Verdi ist das Urteil eine „gute Nachricht für Millionen Beschäftigte“. Der Einzelhandelsverband HDE betonte: Auch nach dem Urteil seien verkaufsoffene Sonntage erlaubt.
Was bedeutet das Urteil für andere Bundesländer?
Seit 2006 hat zwar jedes Land eigene Ladenschluss-Regelungen. Die Verfassungsrichter machten aber für alle klar: Verkaufsoffene Sonntage sind grundsätzlich möglich. Sie müssen allerdings die Ausnahme bleiben – und gut begründet werden. Dafür reichen rein wirtschaftliche Interessen der Geschäfte und der Kunden nicht aus.
Was gilt in Bayern?
Als einziges Bundesland hat der Freistaat kein eigenes Ladenschlussgesetz. Hier gilt noch das alte, bundesweite Gesetz von vor 2006. Demnach dürfen die Läden an vier Sonntagen im Jahr maximal fünf Stunden öffnen – aber nicht im Advent. „Das ist für uns auch in Ordnung so“, sagt Bernd Ohlmann, Chef des bayerischen Einzelhandelsverbandes. Ohnehin nutzten die wenigsten Gemeinden die vier Sonntage aus. Was sich Ohlmann aber wünscht: „Die Geschäfte müssten für spezielle Events unter der Woche abends länger öffnen können.“ Bislang ist das pro Gemeinde nur einmal im Jahr erlaubt. Bayerns FDP hat jüngst einen neuen Vorstoß gestartet, die Öffnungszeiten zu verlängern. An der Sonntagsregelung wollen aber auch die Liberalen nicht rütteln.
Wie ist es überhaupt mit Sonntagsarbeit?
Bei der Polizei oder den Rettungsdiensten, im Krankenhaus oder in der Apotheke, in Gaststätten oder Kinos, bei der Eisenbahn, der Kirche oder der Zeitung: In Deutschland gehen jeden Sonntag rund 4,7 Millionen Beschäftigte regelmäßig zur Arbeit. Das ist jeder siebte Arbeitnehmer – Selbstständige nicht eingerechnet. Damit liegt Deutschland in der EU im Mittelfeld. Ganz vorne die Slowakei: Dort arbeitet jeder Fünfte sonntags, in Österreich jeder Sechste. Selten ist Sonntagsarbeit in Ungarn und Polen. Das Verfassungsgerichtsurteil für den Handel hat für Sonntags-Beschäftigte anderer deutscher Branchen keine Auswirkungen. Grundsätzlich ist Sonntagsarbeit nach dem Arbeitszeitgesetz verboten. Das Gesetz sieht für bestimmte Berufe aber Ausnahmen vor. Die bleiben auch nach dem Urteil bestehen. aja