Kurz vor dem Aus: Niemand mag Elena

Zu indiskret, zu aufwändig, zu teuer: Der elektronische Entgeltnachweis, erst vor sechs Monaten gestartet, steht vor dem Aus. Ist das auch das Ende für die elektronische Gesundheitskarte?
von  Abendzeitung
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BERLIN - Zu indiskret, zu aufwändig, zu teuer: Der elektronische Entgeltnachweis, erst vor sechs Monaten gestartet, steht vor dem Aus. Ist das auch das Ende für die elektronische Gesundheitskarte?

22000 Menschen haben vor dem Verfassungsgericht Beschwerde eingelegt, unzählige kleine und mittelständische Firmen klagen über teuren bürokratischen Mehraufwand. Für Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) der richtige Zeitpunkt, um erneut gegen den elektronischen Entgeltnachweis Elena zu trommeln. „Wir müssen verschärft über ein Moratorium nachdenken“, sagte er dem „Handelsblatt“.

Alles wird gespeichert. Seit Januar müssen Arbeitgeber Daten über ihre Beschäftigten an eine zentrale Sammelstelle in Würzburg schicken. Unter anderem wird dort gespeichert, wieviel ein Mitarbeiter verdient, ob und warum er im Betrieb gefehlt hat, und aus welchem Grund er eine Abmahnung oder Kündigung erhalten hat.

Betriebe boykottieren das Projekt. Viele Firmeninhaber sind über den Aufwand verärgert und sehen den Datenschutz in Gefahr. Die Münchner Zahnärztin Kristiane Zickenheiner etwa leitet keine Infos über ihre zehn Mitarbeiter weiter – bisher ohne negative Konsequenzen. „Wir wurden von niemandem gerügt“, berichtet sie. Stattdessen erfährt Zickenheiner Zuspruch von Gleichgesinnten. Auch eine Bekannte, die ein Hotel am Schliersee betreibt, habe sich zum Daten-Boykott entschlossen, sagt sie.

Datenschützer sind frustriert. Die juristischen Bedenken gegenüber Elena waren von Anfang an groß. Zig Millionen Informationen auf Vorrat zu sammeln, nur damit die Behörden in Einzelfällen schneller einen Wohngeldbescheid erteilen oder das Elterngeld ausrechnen könnten, sei unverhältnismäßig. Das sagt der frühere Bundsinnenminister Gerhard Baum.

Die Kosten explodieren. Die Kommunen schätzen, dass die komplette Umsetzung der elektronischen Datensammlung über drei Milliarden Euro kosten wird. Ursprünglich hieß es, pro Arbeitnehmer würden zehn Euro fällig – jetzt ist schon von bis zu 80 Euro die Rede. Der Deutsche Städtetag freut sich deshalb schon auf den Stopp für Elena. „Das Verfahren muss dringend geändert werden, denn es ist teuer und unzumutbar für die Antragssteller sowie in dieser Form für die Kommunen nicht umsetzbar“, sagt Städtetag-Experte Helmut Fogt. Die Bundesregierung äußert sich nicht zu konkreten Zahlen. Das Wirtschaftsministerium räumt aber ein, die Kosten seien höher als geplant.

Auch die elektronische Gesundheitskarte steht auf dem Prüfstand. Währenddessen nutzt die Ärzteschaft die Gunst der Stunde und macht gegen die nächste Datenkrake mobil. „Was für Elena gilt, muss erst recht für die elektronische Gesundheitskarte gelten“, sagt Martin Grauduszus, Präsident der Freien Ärzteschaft. Die Patientenkarte soll schrittweise eingeführt und Daten der Versicherten sammeln. Geschätzte Kosten: um die 14 Milliarden Euro.sun

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