Kündigung: Was Bausparer wissen müssen
Drei Prozent Zinsen auf das Guthaben war vor nicht allzu langer Zeit Usus. Bausparkassen wollen Altverträge loswerden.
München - Wie viele Bausparverträge die Bausparkassen seit dem Jahr 2008 gekündigt haben, ist nicht klar. Die Branche spricht von 200 000 Vertragskündigungen allein im Jahr 2015. Häufig handelt es sich dabei um gut verzinste Altverträge – bei denen Sparer die gesamte Bausparsumme erreicht hatten.
Gegen eine solche Kündigung vorzugehen, sei nicht erfolgversprechend, sagt Jörg Sahr von der Stiftung Warentest: „Bei Kündigungen von übersparten Verträgen haben die Gerichte in den vergangenen Jahren den Bausparkassen Recht gegeben.“
Grundsätzlich kombiniert Bausparen die Finanzierung einer Immobilie und Sparen. Der Sparer zahlt zunächst in den Bausparvertrag ein. Dadurch erhöht er sein Eigenkapital, das verzinst wird. Und nach der Ansparphase bekommt er ein günstiges Darlehen – über die restliche Bausparsumme.
Voraussetzung: Er hat ein bestimmtes Mindestguthaben angespart – meist 40 oder 50 Prozent der Bausparsumme – und erfüllt weitere Bewertungskriterien. Das Darlehen kann er aufnehmen, muss es aber nicht – das galt früher.
Die Bausparkassen schieben der EZB den Schwarzen Peter weiter
Doch in den vergangenen zwei bis drei Jahren haben die Bausparkassen nicht nur übersparte Verträge gekündigt. Es traf auch Verträge von Bausparern, die die Zuteilungsreife erreicht haben, aber das Darlehen in den vergangenen zehn Jahren nicht in Anspruch genommen hatten.
Der Grund dafür ist die Niedrigzinsphase, die auch den Kassen zu schaffen macht. Die teils noch hochverzinsten Altverträge können die Bausparkassen derzeit auf dem Markt nicht refinanzieren, da Bausparkassen das Geld ohne großes Risiko anlegen müssen – ein Minusgeschäft für die Bausparkassen. Entsprechend werden die Kündigungen begründet.
„Aufgrund der EZB-Nullzinspolitik kommen Bausparkassen um unpopuläre Maßnahmen nicht herum“, sagt Andreas Zehnder vom Verband der Privaten Bausparkassen. Um die Bauspargemeinschaft zu schützen, sehen die Bausparkassen sich gezwungen, Verträge zehn Jahre nach Erreichen der Zuteilungsreife zu kündigen.
Bei solchen Kündigungen berufen sich die Bausparkassen auf das Darlehensrecht. Demnach kann ein Kreditnehmer einen Kredit nach zehn Jahren kündigen. Sahr kennt die Argumentation: Die Spareinlagen des Bausparers seien nichts anderes als ein Darlehen an die Bausparkassen. Dieses Darlehen hätten sie mit der Zuteilungsreife des Vertrags empfangen – zu dem Zeitpunkt, an dem der Bausparer selbst das Recht auf ein Darlehen hat. Dazu entschieden die Gerichte bislang unterschiedlich. „Einige halten die Kündigungen für zulässig, andere nicht.“ Klarheit wird wohl erst das Urteil des Bundesgerichtshofs bringen – damit ist 2017 zu rechnen.
Verbraucherschützer sehen Kündigungen kritisch. „Solange Verbraucher aus dem Vertrag noch das Recht auf ein Bauspardarlehen ableiten können, kann die Bausparkasse unseres Erachtens nicht kündigen“, sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale. Wer eine Kündigung bekommt, kann schriftlich Einspruch einlegen. Doch Obacht: Vereinzelt lassen sich die Bausparkassen davon nicht irritieren. Sie schicken dann einen Scheck über die angesparte Summe. Verbraucher sollten ihn nicht annehmen. Das Behalten eines Schecks könne dazu führen, dass im Falle einer Klage die Bausparkasse argumentiert, der Kunde sei mit der Vorgehensweise einverstanden gewesen, warnt Nauhauser.
Bausparen kann sich für Modernisierer noch lohnen
Wer einen solchen Scheck erhält, sollte der Bausparkasse erklären, dass man weder Kündigung noch Scheck akzeptiert – und zwar schriftlich per Einschreiben mit Rückschein. Die Kopien der Schreiben und den Rückschein sollten Sparer gut aufbewahren. Bausparen kann sich nach Meinung von Jörg Sahr trotz der Kündigungswelle lohnen – etwa für Modernisierer. Mit einem Bausparvertrag könnten sich Hausbesitzer schon Jahre im Voraus einen günstigen Kredit sichern, erklärt der Experte. „Der Zinssatz von meist zwei bis drei Prozent für das Bauspardarlehen steht heute schon fest.“
Sahr nennt noch eine weitere Zielgruppe: Wer Kleinsummen braucht, könnte darüber nachdenken. Denn bei Bausparverträgen spielt die Höhe des Darlehens keine Rolle – niedrige Zinsen bekommt man auch bei geringeren Beträgen. Ansonsten würden manche Banken Aufschläge von Kunden verlangen, wenn diese weniger als 30 000 oder 50 000 Euro brauchen. Oft vergeben sie solche Summen laut Sahr nur als herkömmlichen Ratenkredit – zu höheren Zinsen als einen Immokredit.