Krisengewinnler
Marktliberalismus im Zwischenlager politischen Giftmülls - Matthias Maus, Chefreporter der AZ, über den Aufstieg der Liberalen.
Ironie in der Politik, das kommt schon vor.Wenn der Wähler vermeintliche Todfeinde in die Koalition zwingt zum Beispiel, oder wenn Roland Koch eine Wahl mit dem Thema Glaubwürdigkeit gewinnt – oder wenn die FDP am deutlichsten von der Krise profitiert.
Ausgerechnet der Partei, in deren Reihen der Staat am lautesten in die Schranken gewiesen wurde, fliegen derzeit die Stimmen zu.
Ausgerechnet bei der Partei, wo der Glaube an den Markt am inbrünstigsten war, sammeln sich die Wähler – man mag es kaum fassen.
Nicht einmal Guido Westerwelle, lange Zeit Musterknabe der Unseriosität, schreckt mehr ab. Was ist da los?
Die Liberalen profitieren von den Reibungsverlusten aus der großen Koalition. Sämtliche Großfiguren der Unions- und SPD-Allianz wirken getrieben, ratlos in einer Krise, der sie nur Milliarden hinterherwerfen können.
Längst hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die präsidiale Aura los, mit der sie über den Wassern des Parteienstreits schwebte. Längst wirkt Steinmeiers Charme verbraucht, längst geht kein Hauch von Frische mehr aus vom Kanzlerkandidaten. Und was macht eigentlich Herr Müntefering?
Blass sind die Liberalen auch, aber sie vermitteln die Biederkeit bürgerlicher Berechenbarkeit, nach denen sich viele in der Krise sehnen.
Sie waren klug genug, ihre nassforsche Marktgläubigkeit ins Zwischenlager für politischen Giftmüll zu entsorgen. Und doch muss sich noch zeigen, mit welcher Form des Liberalismus sie die Politik beleben wollen.