Krank zum Personalgespräch? - Oberste Richter entscheiden
Erfurt - Was passiert, wenn ein Arbeitgeber krankgeschriebene Mitarbeitder zum Personalgespräch einbestellt? Müssen Beschäftigte dem dann trotz Arztattests Folge leisten? Darüber entscheidet an diesem Mittwoch erstmals der zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt.
Worum geht es in dem Fall?
Ein Krankenpfleger aus Berlin fiel aufgrund eines Unfalls länger aus und wurde danach befristet als Dokumentationsassistent eingesetzt. Im November 2013, kurz bevor sein Einsatz auf dieser Stelle enden sollte, erkrankte er erneut. Das Krankenhaus wollte deshalb mit ihm die weiteren Beschäftigungsmöglichkeiten in einem Personalgespräch klären. Das lehnte er jedoch mit Verweis auf seine Arbeitsunfähigkeit ab. Daraufhin erfolgten bis Februar 2014 noch zwei weitere Aufforderungen zu Personalgesprächen, denen der krankgeschriebene Mitarbeiter aber ebenfalls nicht nachkam. Zudem verlangte sein Arbeitgeber ein spezielles ärztliches Attest für die unterbliebene Teilnahme.
Was will der Kläger erreichen?
Der Krankenpfleger war wegen seines Fernbleibens an den terminierten Personalgesprächen abgemahnt worden. Dagegen wehrt sich der Mann. Außerdem will er, dass die Richter generell klarstellen, dass er während einer vom Arzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeit nicht zur Teilnahme an Personalgesprächen verpflichtet sei.
Wie argumentieren die Streitparteien?
Der Anwalt des Klägers, Ulf Meißner, hält es für ausgeschlossen, dass Arbeitgeber kranke Mitarbeiter zum Personalgespräch ins Unternehmen beordern dürfen. "Während der Krankheit ruhen die Pflichten des Arbeitnehmers, auch das Weisungsrecht des Arbeitgebers ist in dieser Zeit suspendiert", sagt der Berliner Fachanwalt für Arbeitsrecht. Die Gegenseite hingegen meint, die Teilnahme am Personalgespräch gehöre zu den arbeitsvertraglichen Nebenpflichten des Beschäftigten, welche auch während der Krankheit fortbestünden.
Wie haben die Vorinstanzen entschieden?
Das Arbeitsgericht hat der Klage in vollem Umfang entsprochen. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschied, dass die Abmahnung aus der Personalakte entfernt werden muss. Zwar sahen die Richter der zweiten Instanz im konkreten Fall keine Pflicht zur Teilnahme am Personalgespräch. Allerdings schlossen sie eine verpflichtende Teilnahme während der Krankheit generell nicht aus. Die Rücksichtnahmepflicht des Arbeitnehmers könne es gebieten, dass er auch während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit an einem Personalgespräch teilnehme, hieß es in ihrem Urteil.
Wie häufig kommen solche Fälle in der Praxis vor?
Es gibt bislang nicht viele derartige Fälle, die auch vor Gericht kommen. Dennoch hat das Bundesarbeitsgericht ein ähnlich gelagertes Verfahren auf dem Tisch, über das dann der zweite Senat am 15. Dezember dieses Jahres entscheiden wird. In diesem Streitfall klagt eine Frau, die ebenfalls wegen Krankheit nicht zu drei anberaumten Personalgesprächen erschien, gegen ihre Kündigung. Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hielt ihren Rauswurf für unwirksam und erklärte zudem, dass kranke Arbeitnehmer grundsätzlich nicht verpflichtet seien, an einem vom Arbeitgeber angeordneten Personalgespräch teilzunehmen.
Welche Bedeutung hat das jetzige Urteil des Bundesarbeitsgerichts?
Dem Erfurter Richterspruch kommt eine grundsätzliche Bedeutung zu, da es nach Angaben einer Sprecherin des Bundesarbeitsgerichts die erste höchstrichterliche Entscheidung dazu ist. Sollten die obersten Arbeitsrichter grundsätzlich ein Pflicht zur Teilnahme an Personalgesprächen bei kranken Arbeitnehmern nicht ausschließen, käme es dann auf die besonderen Umstände in jedem Einzelfall an.
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