Klare Verhältnisse

Das politische Klima wird rauher. Und das ist auch gut so – AZ-Chefredakteur Arno Makowsky über die eindeutigen Ergebnisse der Bundestagswahl
von  Abendzeitung

Das politische Klima wird rauher. Und das ist auch gut so – AZ-Chefredakteur Arno Makowsky über die eindeutigen Ergebnisse der Bundestagswahl

Es gibt Wahlen, bei deren Ergebnis man nicht so recht weiß, was der Wähler eigentlich will. Und es gibt Wahlen, bei denen das sofort klar wird. So wie bei der Bundestagswahl 2009. Da gibt es kein Deuteln und kein Heruminterpretieren, die Bürger haben klare Ansagen gemacht. Sie lauten:

1. Bundeskanzlerin Angela Merkel soll weiterhin Bundeskanzlerin bleiben. Zwar liegt das CDU-Ergebnis etwas unter dem von 2005, aber das ist angesichts der weichgespülten Politik in der großen Koalition nicht verwunderlich. Zur Profilierung gehören Konflikte – und die waren in den vergangenen vier Jahren kaum zu spüren. Das hat die Regierungsparteien viele Stimmen gekostet. Dass die CDU nur wenig verloren hat, deutet auf eine relative Zufriedenheit mit der Bundeskanzlerin hin.

2. Die große Koalition soll beendet werden. Endlich! Das ist das erfreulichste Ergebnis dieser Wahl. Auch wenn die Regierungsbilanz von Schwarz-Rot gar nicht so schlecht ausfällt: In einer lebendigen Demokratie müssen große Koalitionen immer eine Notlösung sein. Vorübergehend mögen sie effizient arbeiten, letztlich sind sie aber langweilig für die Bürger und lähmend für den Politikbetrieb, der von gegensätzlichen Standpunkten lebt. Jetzt ist die Zeit der faulen Kompromisse vorbei, endlich werden Bundestagsdebatten und Polit-Talkshows wieder spannend.

3. Die FDP als neuer Koalitionspartner soll zeigen, was sie drauf hat. Das wird schwer für die Liberalen. Deren Steuersenkungs-Rhetorik kann man getrost vergessen. Angesichts der horrenden Staatsverschuldung wird die Regierungspolitik im Gegenteil schon bald auf Erhöhungen herauslaufen und vermutlich auf soziale Einschnitte. Vielleicht ist das der problematischste Punkt einer schwarz-gelben Koalition: Sie wird sich ihr Geld durch Einsparungen im Sozialhaushalt besorgen, der öffentliche Dienst wird auf Lohnerhöhungen verzichten müssen. Schwächer gestellte Bürger müssen mit weiteren Belastungen rechnen.

4. Die SPD soll sich in der Opposition erneuern. Dieser Wählerwunsch fällt besonders deutlich aus: In Bayern erreicht sie gerade noch 17 Prozent, kaum mehr als die FDP. Für die Sozialdemokraten ist das die Chance, ihr völlig unklares Profil neu zu definieren. Dazu gehört vor allem, sich gegenüber den Linken zu öffnen. Gerhard Schröders „Neue Mitte“ hat die Sozis aufgeweicht, nur mit einer Rückbesinnung auf Werte wie soziale Gerechtigkeit wird die SPD als Volkspartei überleben. Es spricht für den tapferen Frank-Walter Steinmeier, dass er als Oppositionsführer weitermacht.

5. Horst Seehofer hat eine schallende Ohrfeige bekommen. Das Ergebnis von rund 41 Prozent ist desaströs für die CSU. Es ist die Quittung für Seehofers Wankelmut und für sein ausgesprochen dämliches Abwatschen der Liberalen in den vergangenen Wochen. Bei den Bürgern kommt so etwas nie gut an; das sollte ein so erfahrener Politiker eigentlich wissen.

Fazit: Das Ergebnis der Bundestagswahl tut der Politik in Deutschland gut. Auch wenn das Klima insgesamt wohl rauher wird.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.