(Keine) Panik!
Finanzklrise und die Folgen: Jetzt steht sogar der Kapitalismus an sich zur Disposition, zumindest in Frankreich. AZ-Aktuell-Ressortchef Frank Müller über Sarkozys Forderung nach mehr Staat.
Es gab Zeiten, da hätte man sich mit der Forderung nach Verstaatlichung der Schlüsselindustrien ins Visier des Verfassungsschutzes begeben. Es gab auch Zeiten, da wäre man mit Attacken auf Bankvorstandsgehälter zu einer kleinen radikalen Minderheit gezählt worden, die vorsätzlich den Finanzplatz Deutschland schädigt. Und heute? Der dramatische Appell von Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy, ganze Industriezweige in die Obhut des Staates zu nehmen, ist ein weiterer Stein in jener Kette von Ereignissen, die dem Normalbürger mulmig werden lässt.
Der hat sich weiß Gott mit vielem beschäftigen dürfen in den vergangenen Wochen: Eingriffe des Staates in die Bankenwelt, zu Rettungspaketen geschnürte gigantische Summen, von denen man sich bis vor kurzem noch gar nicht vorstellen konnte, dass sie existieren. Und nun steht mal eben noch der Kapitalismus an sich zur Disposition, zumindest in Frankreich.
Noch reagiert die Bevölkerung in Deutschland und in Europa relativ cool angesichts dieser Zeitenwende und angesichts der vielen aufgescheuchten Führer in Politik und Wirtschaft. Doch vielleicht ist dieses Bewahren der Nerven auch nur Ausdruck des Wahnsinnstempos, mit dem die Umwälzungen über die Bühne gehen. Gerade noch Aufschwung und grenzenloser Handel, heute schon Depression und Staatswirtschaft – für viele ging das schlicht zu schnell.
„Keine Panik“, rufen sie uns nun an allen Ecken und Enden zu. Bitte Vorsicht, das kann man auch zu oft sagen. So oft, bis wir am Ende alle die Panik kriegen.
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