Kein Sprengsatz mehr
Wer kann aus der Affäre noch Kapital schlagen? AZ-Chefreporter Matthias Maus über Schreiber und die Folgen.
So schön war Gras über die Sache gewachsen, und jetzt kommt alles wieder hoch. Die braunen Briefumschläge und die schwarzen Kassen, all die Details, die die CDU über Jahre als semikriminelle Vereinigung dastehen ließ – die Auslieferung von Karlheinz Schreiber verschafft dem dunklelsten innenpolitischen Kapitel im jungen Jahrhundert neue Aktualität. Ein Sprengsatz also, der kurz vor der Bundestagswahl die politische Szene durcheinanderwirbelt? Das kann man bezweifeln.
Das kann man bezweifeln. In der Tat bleibt es auch nach acht Jahren unfassbar, dass ein Kanzler im Amt das Gesetz gebrochen hat. Dass Helmut Kohl sich bis heute weigert, die Namen der illegalen Spender zu nennen, die ihm 2,1 Millionen Mark zusteckten, wirft einen tiefen Schatten auf seine Kanzlerschaft. Ungeheuerlichkeiten wie diese kamen heraus, als das System Schreiber aufflog. Der Mann, der dem heutigen Innenminister mal schnell 100000 Mark in bar zusteckte, hat Geschichte geschrieben.
Das genau ist aber auch das Problem. Für die meisten Menschen ist Schreiber, durch dessen Wirken Bundeskanzlerin Angela Merkel überhaupt erst an die CDU-Spitze gespült wurde, ein abgeschlossenes Kapitel. Sollte also wirklich Kalkül dahinter gesteckt haben, mit Schreibers Auslieferung zu punkten, wie manche der SPD unterstellen, dann ist das zum scheitern verurteilt. Die Menschen haben andere Sorgen und die SPD hätte ein echtes Problem, wenn sie auf die Schützenhilfe einer zwielichtigen Figur wie Schreiber angewiesen wäre.
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