Kein Papst der Herzen

„Mitleid“ ist ein kleines Wort angesichts des Holocausts. AZ-Redakteurin Anja Timmermann über die Nahost-Reise von Papst Benedikt XVI..
von  Abendzeitung

„Mitleid“ ist ein kleines Wort angesichts des Holocausts. AZ-Redakteurin Anja Timmermann über die Nahost-Reise von Papst Benedikt XVI..

Es ist für niemanden auf der Welt eine dankbare Aufgabe, Brücken zu bauen zwischen den drei Weltreligionen Christentum, Judentum und Islam – und auch speziell für Papst Benedikt XVI. nicht, der zumindest zu einigen Rissen in den vorhandenen Brücken beigetragen hat. Und erst recht nicht einfach ist es auf dem unendlich schwierigen Terrain Israel.

Doch auch gemessen an diesen vorsichtigen Erwartungen ist seine Reise bisher eher enttäuschend. Nicht wegen dem, was er gesagt hat. Sondern wegen dem, was er nicht gesagt hat. Nicht nur viele Juden hätten sich gewünscht, dass er an der Holocaust-Gedenkstätte deutlichere Worte findet. Zum Beispiel zur Rolle der katholischen Kirche, zum Beispiel zur Rolle seines Heimatlandes Deutschland. Er bekundete sein „Mitleid“ für die Opfer – ein seltsam kleines Wort für sechs Millionen systematisch ermordete Menschen.

Sein Vorgänger Johannes Paul II. steckte einen Zettel in die Klagemauer, worin er die Juden um Vergebung für das bat, was ihnen die katholische Kirche angetan hat. Benedikt tat oder äußerte nichts dergleichen. Ein Wort, einen Friedenswunsch auf Arabisch hätte er äußern müssen, dann wäre der Funke übergesprungen, sagte ein Mönch zu seiner Station in Jordanien. Benedikt tat nichts dergleichen.

Das ist nicht seins. Er streckt nicht die Hand aus, er sucht den gelehrten Diskurs. Der Theologieprofessor aus dem Elfenbeinturm, für den die Vorgänge in der Außenwelt weit weg und mitunter unverständlich sind, wird kein Papst der Herzen. Dabei könnte die Welt einen Brückenbauer gut brauchen. Schade.

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