Kein Neid!
Natürlich ist Winterkorn nicht 500 Mal wertvoller als ein Arbeiter. Der Vize-Chefredakteur Georg Thanscheidt der AZ über Gerechtigkeit und Verdienst
Deutschland debattiert: Darf ein Konzernchef wirklich fast 500 Mal so viel verdienen wie einer seiner Facharbeiter? Und um wie viel produktiver muss er sein, um diese Summe zu rechtfertigen? Was sagt es über die Balance eines Staatswesens, wenn der oberste Autobauer der Republik, Martin Winterkorn, mehr als 80 Mal so viel verdient wie die oberste Machthaberin, Bundeskanzlerin Angela Merkel?
Das krasse Missverhältnis zwischen Vorstandsbezügen in Dax-Konzernen und den Einkünften von Arbeitern, Angestellten und – ja – auch Politikern wirft viele Fragen auf. Mancher neigt dazu, diese Diskussion mit dem Verweis auf die sich angeblich darin zeigende bundesdeutsche Neidkultur zu beantworten – und so gleichzeitig für beendet zu erklären. Dieser Ansicht bin ich nicht: Die Diskussion, die sich an den Bezügen von Winterkorn entzündet hat, ist keine Neid-Debatte, sondern eine Gerechtigkeitsdebatte.
Denn natürlich ist der VW-Chef nicht 500 Mal so viel wert wie einer seiner Arbeiter. Martin Winterkorn ist ein kluger, erfolgreicher Automanager, der aber auch für fünf oder zehn Millionen Euro im Jahr genau so gut arbeiten würde – gerade weil er so klug ist und weiter erfolgreich sein will. Deutsche Familienunternehmer haben deswegen gerade völlig zu Recht eine Deckelung der Vorstandsbezüge gefordert. Die – ebenfalls sinnvolle – Alternative dazu ist eine höhere Besteuerung von Spitzenverdienern.
- Themen:
- Dax-Konzerne
- Martin Winterkorn